25.5.2019; Victoria
Letzten Samstag war fuer mich die letzte Chance auf einen Heilbutt im Mai; die letzte gute Gezeitenkonstellation fuer meine Stellen bis etwa mitte Juni. Der Wind sah fuer Samstag ruhig aus aber es sollte regnen. Sonntag musste ich schon wieder arbeiten, also jetzt oder nie! Als der Wecker um 5:00 Uhr loslegte, war ich mir nicht mehr so sicher: soll ich oder Wecker aus und weiterschlafen? Ricardo, der mitkommen wollte, wuerde jetzt auch lieber weiterschlafen – er hatte bis 23:00 Uhr gearbeitet. Ach was, Selbstarschtritt – raus aus den Federn, schlafen kann man spaeter irgendwann. Heilbuttangeln geht nicht immer. Aber hoffentlich lohnte sich die Muehe!
Wir waren 6:30 Uhr an der Pedder Bay Marina und mischten uns in die Flotte der Heilbuttjaeger. Da Lachs im Moment zu ist, sind die Marinas nur bei guten Heilbuttgezeiten voll. Um 7:00 Uhr sollte die gute Gezeit einsetzen. Ricardo war sofort in der Koje verschwunden und tauchte wirklich den ganzen Tag nicht mehr auf. Ich fuhr raus zu dem Mudhole, wo schon eine Menge Boote verstreut und vor Anker lagen. Ich fand noch eine Luecke nahe der Stelle, an der ich im April mit meinen 3 Freunden 4 Butte an einem Tag erwischte. Als der Anker hing, machte ich das Geraet fertig. Im Duftsack hatte ich heute eine neue Spezialitaet: Schwarzbarschgerippe. Normalerweise nehme ich dafuer Lachsreste aber da wir ja momentan keine Lachse behalten duerfen, musste ich mich im Suesswasser bedienen. Meine Jungs hatten mir kuerzlich ein paar schoene Barsche im lokalen See gefangen. Na, ob das die Butte anlockt oder vielleicht eher abstiess?
Als Koeder hatte ich ein paar Makrelenfilets, ein Oktopusstueck, Heringe und Lachsflossen. Tolle Cocktails machte ich daraus. Als ich die 2 Koederpakete am Grund abgeliefert hatte, setzte ich mich erstmal hin und holte Fruehstueck nach. Nach einer halben Stunde ruckelte es an der linken Rute los: aha, die Dornhaie hatten den Barschduft gefunden! Ich kurbelte den kleinen Kerl hoch, hakte ihn ab und bekoederte die Haken neu. Dabei sah ich die rechte Rute lostanzen. Die erst zarten Rucke wurden staerker und staerker bis sich die Rute ploetzlich tief verneigte. Oh Yes! Buttalarm! Ich liess alles fallen und liegen, sprang rueber und kurbelte dagegen. Widerstand, der hing! Ich riss die Rute aus dem Halter – und wollte sie in den Gimbal stecken – Mist, den hatte ich mir noch nicht umgebunden! “Ricardo, ich brauch’ den Guertel, ich habe einen Butt dran!” Nichts ruehrte sich in der Koje, der war im Tiefschlaf und ich war alleine. Ich haette die Rute in den Halter setzen koennen und in ein paar Sekunden den Guertel alleine holen koennen aber ich wollte keinen Fischverlust riskieren. Ich wollte heute was mit nach Hause nehmen!
Ein zwei Kopfstoesse verrieten den Fisch aber sonst was es nur totes Gewicht. Musste aber was Ordentliches sein, die Rute war richtig krumm. So stemmte ich mir den Rutenknauf in die Huefte und fing an zu pumpen. Auch nach einigen Minuten keine weitere Gegenwehr. Vielleicht doch kein Butt? Aber was sonst? Viel zu schwer fuer Hai. Grosser Rochen? Hoffentlich nicht, dachte ich nur. Bitte sei ein Butt! Dann konnte ich ihn erkennen – YES – Butt, und ein schoener! Ich zog ihn zur Oberflaeche wo er ganz ruhig liegenblieb. Und das war auch gut so – nur einer der beiden Einzelhaken hing im Fisch. Aber wie! Von aussen an der Oberlippe nur durch ein paar Millimeter Haut. Wow! “Ein Kopfschuetteln und der Fisch ist weg!”, dachte ich. Ich rief wieder Ricardo, ich brauchte Hilfe beim Harpunieren. Nichts. Mist. Wie nur das alleine gestalten ohne den Fisch jetzt aufzuwecken? Ich steckte die Rute in den Rutenhalter an der Bootsseite, machte die Bremse locker und ergriff das Vorfach um den Fisch dicht unter der Oberflaeche zu halten. Wenn er jetzt abzog, musste ich schnell loslassen und hoffen, dass die Rute und Rolle das abfingen ohne den Haken herauszureissen. Mit der zweiten Hand griff ich nach der Harpune – fuer’s Gaff war der mir hier zu gross. Als ich die Harpunenspitze Richtung Fisch drehte, fiel die lose Spitze ab – ich hatte den Strick nicht straff genug am Harpunengriff gehalten. Auweija! Die Bronzespitze fiel fast auf den immer noch mucksmaeuschenstillen Fisch… Nichts, er blieb ruhig. Also ergriff ich die Harpune erneut, Spitze wieder draufgesteckt und diesmal die Leine richtig straff und fest an den Griff gedrueckt, hinter den Kiemendeckel gezielt und zugestochen. Ich drueckte noch mal feste nach um die Spitze auch wirklich auf der anderen Fischseite wieder herauszukriegen, wo die Spitze sich flachlegte und damit nicht wieder zurueckgezogen werden konnte. Geschafft! Jetzt wachte der Butt auf: “zu spaet mein Freund!”. Der Haken kam superleicht raus; was fuer ein Glueck diesen Fisch unter solch Umstaenden gelandet zu haben! Ich tanzte auf dem Deck umher vor Freude! Ricardo schnarchte weiter. Abknueppeln, ausbluten und vertaeuen und dann konnte ich weiterangeln.
Von jetzt an war alles nur noch ein Bonus aber ich hatte noch viel Zeit, vielleicht ging ja noch mehr. Und es kam nun auch regelmaessig Leben in beide Ruten; leider nur kleinere Haie. Aber die Duftspur funktionierte, keine Frage! Die Gezeiten waren gut bis 11:00 Uhr. Ab dann wuerde die Stroemung stetig zunehmen bis man selbst mit 1kg Bleien keinen Grund mehr halten konnte. Dann hat diese Angelei keinen Zweck mehr und wuerde auch gefaehrlich im Falle, dass man seine Ankerschnur etwa im Propeller verfangen wuerde. Jedes Jahr gibt es so Unfaelle; gesunkene Sportboote oder zumindest knapp davongekommene. Kein Fisch ist es wert sein Leben auf’s Spiel zu setzen.
Es ging gegen 10:30 Uhr zu und ich erwartete jede Minute, dass der Schnurwinkel flacher wurde. Das ist oft der Moment wo nochmal ein Butt zuschnappt; wahrscheinlich weil nun die Duftspur weiter traegt und die herumjagenden Butte nun zielsicherer den Koeder finden, aber auch weil das die letzte Chance auf ein bequehmes Mahl fuer die Butte ist, denn bei starker Stroemung ducken sich die Butte lieber ab um nicht zu viel Energie zu verblasen. Futterfische suchen sich dann auch stroemungsgeschuetzte Plaetze. Ich wollte gerade die linke Rute hochholen um den Koeder ein letztes Mal zu erneuern als an der rechten Rute brutal gerissen wurde. Buuuuuuttttt! Ich hechtete hinueber und kurbelte in die schon stark durchgebogene Rute hinein. Der hing! Diesmal hatte ich den Gimbal schon umgeschnallt – aha, lernfaehig! – und das war auch gut so denn sobald ich die Rute in Drillposition hatte, wurde der Bursche wach. Aber richtig! Er zog gleich mal 30m Schnur von der recht festen Rollenbremse ab. Dann pumpte ich aber nicht fuer lange denn mein Butt wollte stur wieder zum Grund.
Dieser Fisch war ein ganz anderes Kaliber als der erste auch wenn er sich nicht schwerer anfuehlte. Aber er hatte Dampf! Selbst als ich ihn halb hoch hatte, schuettelte er wild den Kopf und die harten Schlaege in der Rute liessen meinen ganzen Koerper wackeln. Dann hatte ich ihn fast oben – ich konnte es auf dem Echolot sehen – aber der Butt hatte wohl genug vom Tageslicht und zog ab. Unaufhaltsam sang die Rolle fuer eine ganze Minute und schwupps war der Butt wieder ganz am Grund. Oh je, die ganzen 100 m nochmal. Wieder pumpte ich Stueck fuer Stueck. Halb oben etwa kam wieder Leben in den Gegner und trotzdem ich die Bremse noch fester zog, marschierte der Butt wieder bis zum Grund. Mein Gott, wieviel Energie kann der denn noch haben? Etwa 5 Minuten spaeter hatte ich den Butt endlich an der Oberflaeche. Wieder ein schoener aber sah ein bisschen kleiner aus als der letzte, was sehr erstaunlich war im Anbetracht des Drillunterschiedes.
Jetzt ging wieder die Zitterparty um das Harpunieren los. Ricardo war nicht wachzukriegen. Also wieder Soloaction! Ich machte es wieder wie zuvor, hatte die Rute im Halter und griff zur Harpune aber dieser Fisch war einfach nicht kleinzukriegen! Er tobte ploetzlich los und zog neben dem Boot ab. Gluecklicherweise liess die Rolle problemlos Schnur frei und der Rutenhalter hielt solide. Ich schnappte mir die Rute wieder als der Fisch am Downriggerkabel vorbezog. “Bitte jetzt nicht um’s Downriggerkabel wickeln!”, dachte ich. Aber der Butt zog weiter raus, weg vom Kabel. Huch. Dann war er wieder am Boot und hielt aber nur fuer 3 Sekunden still. Er wuppte seinen Kopf hoch und runter und schlug richtig Wellen damit. Ich sah den Haken, den einzigen Haken der hing, vorne im Maul sitzen, aber gut und tief im knochigen und ledrigen Maul.
Nach einigem Waelzen und Herumschuetteln ruhte sich der Butt nun ruhig aus. Jetzt musste es schnell gehen! Rute in den Halter, Rollenbremse auf, Harpune geschnappt und Schnur straff, ein Zug am Vorfach um ihn dicht under die Oberflaeche zu kriegen und ein kraeftiger Stoss mit der Harpune. Yeeesss! Die Spitze sass perfekt und der Butt war nun auch am Ende. Er hatte keine Kraft mehr um wild herumzutoben wie oftmals gruene Butte nach dem Harpunieren. Es war vielleicht noch eine halbe Stunde bis zum Schlusspfiff. Ich hatte mein Tageslimit fuer Heilbutte, konnte also keinen weiteren behalten. Aber so ganz aufhoeren wollte ich auch noch nicht. Ich beschloss die Rute nochmal neu zubekoedern und die Ruten noch im Wasser zu lassen bis ich die Fische vermessen, versorgt und in die Lizenzen eingetragen hatte. Ich blutete den 2. Butt aus und brachte dann beide ins Boot.
Der erste war 114cm und der zweite 110 cm. Aber was fuer ein Unterschied im Drillverhalten. Haette der erste so gekaempft wie der zweite, haette ich ihn garantiert verloren. Manchmal muss man Glueck haben. Ich fing an mein Zeug zu verstauen, da sah ich ploetzlich wieder die rechte Rute schwer wippen. Gibt’s doch gar nicht! Noch ein Butt? Ich kurbelte an und was soll ich sagen? Wieder hatte ich einen schweren Widerstand am anderen Ende der Schnur. Ich kurbelte noch ein paar Umdrehungen und holte dann die Rute aus dem Halter. In diesem Moment kam der Fisch los und die Rute wurde schlapp. Ich liess den Koeder, oder was davon noch da war, ganz schnell wieder hinunter; etwas was hin und wieder zu einem zweiten Biss fuehrt. Aber nicht heute.
Nun ja, ich haette ihn eh wieder schwimmenlassen muessen, daher war ich nicht zu traurig. Ich packte ein und holte den Anker ein und fuhr uns zurueck. Ricardo wachte nun auf und schaute staunend auf die Heilbuttstrecke im hinteren Bootsteil. Alles verschlafen, der Herr! Ich war super zufrieden mit dem Ergenbis heute. Mann, bloss gut, dass ich mich aufgerappelt hatte als der Wecker klingelte! So einen Tag haette ich ungern verpasst. Zurueck in der Marina war gut Betrieb an den Schlachttischen. Es waren einige Butte gefangen worden. Einer hatte einen ueber 40 Pfund. Aber mit 33 und 37 Pfund hatten wir eine schoene Strecke und einen ganzen Berg leckerer Filets. Die Schwarzbarschreste im Duftsack waren also sehr erfolgreich gewesen – ein neues Geheimrezept. Und 2019 scheint wieder ein gutes Heilbuttjahr zu sein, zumindest auf meinem Boot!