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Bestellung von Tackle im aussereuropäischen Ausland/ Japan

"(4) Sind bei der Verwendung, Ergänzung oder Instandhaltung eines Produkts bestimmte Regeln zu beachten, um den Schutz von Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten, ist bei der Bereitstellung auf dem Markt hierfür eine Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache mitzuliefern, sofern in den Rechtsverordnungen nach § 8 keine anderen Regelungen vorgesehen sind."

Raimund über diesen Punkt lässt sich am Beispiel eine Angelrolle bestimmt streiten. Gab es denn dazu auch schon Rechtsprechungen?
Nach meiner leihenhaften Interpretation gibt es auch bei in Deutschland vertriebenen Angelrollen keinerlei Hinweise in der Gebrauchsanleitung zum Thema Schutz von Sicherheit und Gesundheit. Da ich beruflich auch mit dem Thema Gefährdungsbeurteilung von Anlagen und Arbeitsplätzen zu tun habe, stelle ich mal stark in Frage ob es bei einer Angelrolle eine solche Gefährdung überhaupt gibt.
 
Absolut richtig erkannt.
Das Risiko, im eigenen Klo zu ersaufen, ist x-mal höher als das Risiko, sich beim Gebrauch einer Angelrolle zu verletzen oder gar zu verstümmeln. Also bullshit, über § 3 Abs.4 ProdSG auf ner deutschsprachigen Gebrauchsanweisung zu bestehen.
 
Freilich - wenn ich - Dir ne Angelrolle ans Hirn schmeiß, dann kann das sicher gefährlich und gesundheitsschädlich sein - ansonsten lass ich mal den Amtsschimmel wiehern, werd aber den Chef vom Zollamt fragen ob er mal wieder ne geile Rolle aus Japan befummeln will, bevor ich was bestellen sollte :a055:
 
Sei froh das die Lieferung nicht mit FedEx gekommen ist.Die hätten dir die Gebühren vorgestr. und dir noch 20€ Bearbeitungs Gebühr abgeknöpft.
 
Immerhin gibt's ja ein Verbraucherinformationsgesetz (VIG), das die zuständigen Behörden verpflichtet, konkrete Auskünfte zu bestimmten Verbraucherprodukten zu geben. Deshalb ''for info'' mein Schreiben an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, wortgleich ebenso an das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) NRW:

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wende mich unter Bezug auf das VIG an Sie mit der Bitte um Information/ Stellungnahme in einer sehr speziellen Angelegenheit:
Es geht um die Bestellung von Artikeln im Kontext der Freizeitfischerei im Nicht EU Ausland als Privatkunde/ Endverbraucher.
Konkreter Anlaß ist die Entscheidung einer Zollbehörde, eine in Japan bei einem bekannten Online Anbieter bestellte Angelrolle nicht an den Endkunden (Besteller) zu übergeben mit der Begründung, es fehle an einer Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache iSv § 3 Abs.4 ProdSV.

Aus meiner Sicht entbehrt diese Praxis jeder Rechtsgrundlage.
Richtig ist lediglich, dass das ProdSG zur Anwendung kommt, weil der gewerblich tätige Online Händler das konkrete Produkt bereitstellt, indem er es in den europäischen Wirtschaftsraum (hier D) mit dem Ziel des Besitzwechsels (an den Endkunden) verschickt.

Ausschließlich mechanisch wirkende Angelrollen ( anders sog. Elektrorollen) unterfallen dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 ProdSG. Dh eine Gefahreneinschätzung erfolgt aufgrund der im Gesetz genannten Soll Kriterien insbesondere unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks.
Mechanische Angelrollen sind - wenn man nur halbwegs eine Vorstellung von deren Funktion hat - mit überhaupt keiner Gefahr im Rahmen ihrer Benutzung verbunden. Es geht um die Betätigung einer Handkurbel, eines Schnurfangbügels (Stationärrolle) oder einer Freigabetaste (Multirolle, Baitcast Rolle). Also um die Nutzung simpelster Mechanik ohne jeden Kraftaufwand. Auf diesem Hintergrund ist weder erkennbar, dass die Benutzung mit auch nur dem kleinsten Risiko einer Verletzung verbunden ist, noch ist bekannt, dass es jemals zu einem Fall gekommen ist, in dem sich der Nutzer einen Schmerz oder eine Verletzung im Rahmen des Gebrauchs zugezogen hat.
Noch absurder ist es, auf der Grundlage des § 3 Abs.4 ProdSG eine Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache für notwendig zu halten. Diese würde in dem hier besprochenen Rollentypus in etwa so aussehen:
1) Die Kurbel ist zum Kurbeln da.
2) Zur Freigabe der Schnur legen Sie den Schnurfangbügel um bzw. betätigen Sie die Freilauftaste.

Ebenso keinerlei Gefahr für die Gesundheit besteht bei der Wartung oder Reparatur einer solchen Rolle, falls man sich dieses als Endkunde überhaupt zutraut. Angelrollen sind feinmechanische Geräte, bei deren Wartung allenfalls die Gefahr besteht, eine der vielen winzigen Schrauben zu verlieren. Die Annahme, man setze sich bei dieser Tätigkeit einem Verletzungsrisiko aus, ist einfach nur abwegig, es sei denn, man fügt sich eine Fleischwunde durch die Verwendung eines aus dem Optik Bereich stammenden Mini Schraubenziehers oder sonstigen Tools zu. Die Wahrscheinlichkeit ist in etwa so hoch wie die Gefahr des Ertrinkens in der eigenen Toilette!

Weiterhin nicht nachvollziehbar ist es sodann, über § 6 ProdSG die Angabe eines Bevollmächtigten oder Einführers ( Definitionen § 2 Nr. 6,8) zu fordern. Es handelt sich um eine Direktbestellung z.B. in Japan, im Zweifel bezogen auf sog. USDM/ JDM Produkte ( domestic products). Dh. der jeweilige Hersteller/ Anbieter hat überhaupt keinen Sitz/ keine Vertretung innerhalb der EU. In der Sache handelt es also um einen simplen Kaufvertrag zwischen einem Endverbraucher (Privatkunde) und einem ausländischen Anbieter (außerhalb der EU), an dem keinerlei gewerbliche Zwischenakteure (Einführer, Bevollmächtigte) beteiligt sind und für den im Übrigen Art. 4 Rom 1 Abkommen Anwendung findet (es gilt das Recht des Verkäufers).

Zuletzt sei bemerkt, dass mechanische Angelrollen der CE Kennzeichnungspflicht nicht unterliegen. Etwas anderes mag im Hinblick auf sog. Elektrorollen gelten, die seit Umsetzung der EU Niederspannungsrichtlinie ab 4/ 2016 dieser Kennzeichnung bedürfen. Um diese per Elektromotor betriebenen Rollen geht es hier aber nicht.

Ich würde mich sehr freuen, von Ihnen eine konkrete Einschätzung zu erhalten.

Als Info der Hinweis auf folgende Links ( denen Sie entnehmen können, dass die Angelegenheit auf breiterer Ebene von Interesse ist):
http://www.fishing-for-men.de/showthread.php/57187-Ende-der-Import-%C3%84ra!
http://www.norwegen-angelforum.de/index.php?threads/bestellung-von-tackle-im-aussereurop%C3%A4ischen-ausland-japan.58024/

MfG
RM
- Dozent für allg. Verwaltungsrecht und Strafrecht an der FHöV NRW
- leidenschaftlicher Angler seit mindestens 50 Jahren
 
Dann möchte ich auch noch etwas zur Erhellung beitragen:

Die Auskunft der Zöllnerin war wohl so nicht korrekt. Wenn die Rolle in den Augen der Behörde eine Gefahr darstellen sollte, und hier ist durchaus ein Beurteilungsspielraum gegeben, so hat der Zoll die zuständige Marktüberwachungsbehörde zu informieren und die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr auszusetzen.
Die Marktüberwachungsbehörde entscheidet dann innerhalb von drei Tagen, ob sie zuständige ist, und was weiter passiert.
Nachzulesen hier ab Seite 20. https://www.google.de/url?sa=t&sour...4X1BQg-6xxOkRn3Zg&sig2=_2iSdsjsadbg19iEg-MawQ

Sollten sich beim Zollamt also die genannten Hürden aufbauen, ist es eventuell sinnvoll, die Beamten auf die entsprechenden Vorschriften (die Handlungsanweisung findet sich mit Sicherheit auch in den Zollvorschriften) hinzuweisen.
Schlimmstenfalls bekommt man seine Rolle eben ein paar Tage später.
Selbständig verweigern darf der Zoll die Einfuhr auf Grund fehlender Bedienungsanleitung nicht. Das entscheidet die Marktüberwachungsbehörde. Diese kann dann auch eher Beurteilen, ob von einer Angelrolle eine Gefahr ausgeht.



Bin mal gespannt, ob die Verbraucherschützer das genau so sehen, wie ich:ergibmich:
Gruß
Andreas
 
Nur für Spaß:
Hatte gerade ein sehr nettes Gespräch mit nem Kollegen vom Landesinstitut für Arbeitsgestaltung NRW. Die Jungs dort machen den ganzen Tag nix anderes, als die Sicherheit von Produkten, auch Verbraucherprodukten, zu beurteilen. Übrigens der erste, der sich mit den §§ so auskannte, wie ich es mir wünsche (das verkürzt einiges)
Der wusste, was ne Angelrolle ist. Er hat meine Einschätzung zu 100% geteilt...

Also so what... Würde ich in NRW mit irgend einem Zoll Stress kriegen, brauchte ich einfach nur ne Telefonnummer weitergeben mit der Folge Thema durch.
 
Erste vernünftige Antwort:

Sehr geehrter Herr Müller,

Sie fragten nach rechtlichen Hintergründen bezüglich der ProdSV beim
Import von Angelrollen aus Japan. Dazu möchten wir anmerken, dass die
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin keine juristische
Einzelfallberatung übernehmen kann. Nach Rücksprache mit unserer
Fachgruppe können wir Ihnen jedoch folgendes mitteilen:

Der Eigenimport über das Internet bewegt sich momentan in einer
rechtlichen Grauzone. Grundsätzlich gilt das Produktsicherheitsgesetz nur,
wenn im Rahmen einer
Geschäftstätigkeit Produkte auf dem Markt bereitgestellt, ausgestellt oder
erstmals verwendet werden. Das ist z.B. bei Eigenimport von einzelnen
Produkten eigentlich nicht der Fall. Bei der Bestellung von mehreren
gleichartigen Angelrollen bzw.
einer Sammelbestellung könnte es rechtlich jedoch anders interpretiert
werden.


Allerdings gehen die EU-Kommission und die deutschen Behörden wohl davon
aus, dass die eigentliche gewerbliche Tätigkeit schon mit dem Anbieten des
Produktes im Internet ausgeführt wird. Der gewerbliche Anbieter müsste
erkennen dass die Bestellung aus der EU kommt und dementsprechend die Ware
den Bestimmungen der EU anpassen oder nicht zu versenden.

Ob dies rechtlich haltbar ist, können wir Ihnen nicht rechtssicher
mitteilen. Würden Sie die Angelrolle persönlich einführen (z.B. als
Urlaubsmitbringsel) wäre die Einfuhr (von Einzelstücken) kein Problem, da
dann die gewerbliche Abwicklung allein in einem Drittstaat erfolgt wäre
und die Einfuhr vom Produktsicherheitsgesetz nicht mehr umfasst würde.

Hier könnte der Zoll, wenn nicht andere Gründe dagegen sprechen - z.B.
CITES, Drogen etc. keine Einwendungen erheben, wenn die Ware ordnungsgemäß
verzollt würde.

Der Zoll und die Marktüberwachung bewegen sich im vorliegenden Fall aber
in einem zum Teil von der Rechtsprechung noch nicht gänzlich beurteilten
Raum. Es erscheint fraglich, ob sich die Erweiterung der Zuständigkeit mit
internationalem Recht deckt.

Insbesondere stellt die Gesetzgebung auf das Bereitstellen auf dem Markt
ab. Ob der Eigenimport für die eigene Verwendung eine Bereitstellung auf
dem Markt ist, ist nach unserem Kenntnisstand noch nicht geklärt. Somit
ist es Ihrer Einschätzung überlassen, ob Sie gegen die Maßnahmen des Zolls
den Rechtsweg beschreiten wollen.


Mit freundlichen Grüßen


Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
Informationszentrum
Friedrich-Henkel-Weg 1-25
44149 Dortmund
Telefon: +49 231 9071-2071
Fax: +49 231 9071-2070
E-Mail: info-zentrum@baua.bund.de
 
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