30.8.2017, Sooke
Jeder gute Angler kennt das wohl; hin und wieder hat man so ein Gefuehl “heute geht was!”. Nicht immer trifft das dann auch zu, manchmal aber schon. Ich hatte gestern so einen Moment. Vormittags hatte ich Arzttermine und als ich damit fertig war, ueberkam mich so ein Gefuehl, dass heute am Otter Point in Sooke bestimmt die Chinooks beissen wuerden. Ich wusste nur, dass dort am Nachmittag der hoechste Gezeitenstand und dann gegen 16:00 Uhr der Stroemungswechel sein wuerde. Ich beschloss nicht mehr ins Buero zu fahren und mir den Nachmittag freizunehmen. Ricardo hatte andere Plaene und so zog ich solo los nach Sooke. Gegen 13:00 Uhr war ich auf dem Wasser und vor Sunny Shores Marina legte ich wieder die Krabbenfalle aus. Vielleicht konnte ich nochmal ein paar dieser leckeren Biester abstauben. Dann fuhr ich das Inlet raus. Am offenen Meer angekommen, stellte sich heraus, dass es ganz schoen windig war. Das war nicht ideal fuer’s Solofischen! Ich fuhr im gemaessigten Tempo zum Otter Point und sah dort etwa 4-5 andere Boote die Gegend bearbeiten.
Ich fing mit einer Koederfischrute und einer Blinkerrute an. Beim montieren merkte ich schon, dass es heute eine Herausforderung werden wuerde, das Boot und das Angelgeraet gleichzeitig to bedienen. Bis 14:00 Uhr blieb es ruhig. Dann sah ich ein anderes Boot mit Maennern ploetzlich abdrehen – aha, die hatten was dran. Ich hatte den Koederfisch auf 20 m und den Blinker auf 15 m Tiefe. Da schlug ploetzlich die Koederfischrute aus und loeste auch gleich aus. Fish On! Ich setzte einen Anschlag und spuerte harten Widerstand. Der Fisch setzte zu einer Flucht an …und schwupps, weg! Mist! Geht das jetzt so weiter wie am Sonntag? Ich drehte das Boot in die entgegengesetzte Richtung und ueberfuhr die gleiche Stelle wieder. Rumms! Der riss beharrlich gleich etliche Meter von der Rolle bis ich auch nur die Rute aufnehmen konnte. Endlich mal wieder einen schoenen Fisch am Haken! Ich drillte den Fisch Richtung Boot von dem er immermal wieder reissaus nahm. Waehrenddessen war ich drauf bedacht das Boot vom Ufer wegzusteuern auf das mich der kraeftige Wind hinblasen wollte. Ich durfte nicht zu dicht unter Land kommen, ich hatte ja den anderen Rigger mit Rute noch auf 15 m Tiefe draussen und keine Zeit einzuholen.
Ich brachte einen vielleicht 13 pfuendigen Chinook ans Boot. Der Haken sass seitlich im Maul, ein guter Kandidat fuer Catch & Release. Vielleicht ging ja noch mehr. Ich wechselte den Blinker auch auf Koederfisch ueber und setzte diese Rute nun auf 23 m ein. Dann kaempfte ich mich erst einmal durch ein Treibkrautfeld durch, dass mir alle Kabel und Schnuere vollpackte. Und immer wieder den Bootskurs korrigieren – Got sei Dank hatte ich die Steuerstation am Heck – ohne das koennte man so eine Solotour bei solchen Bedingungen gar nicht machen. Als ich mich mit voll funktionierendem Geraet wieder der generellen Fangzone naeherte, zog ploetzlich die neuerlich bestueckte Koederfischrute ab. Aha, die mochten nur den Blinker nicht! Waehrend ich die Rute aufnahm, rappelte die zweite Rute los, loeste auch aus und bog sich bedenklich. Oha, Double Header, alleine. Zwei Chinooks auf einmal am Band. Ich oeffnete schnell die Bremse der noch im Halter sitzenden zweiten Rute und liess den Fisch Schnur nehmen. Das kann ja heiter werden, dachte ich.
Der Fisch an der ersten Rute war auch ein heisser Fisch und zog auch etliche Meter Schnur ab. Als er stehenblieb wollte ich den erst unterlassenen Anschlag nachholen und ruckte kraeftig an. Ein harter Ruck und weg war der Widerstand. Weg, Mist! Schnell eingeholt und dann zur zweiten Rute. Als ich dort ankam war diese Rute auch ruhig. Doppelmist, beide verloren. Na hier war ja was los, heute!
Schnell wieder angekoedert und das Boot auf Kurs gebracht. Naechste Passage brachte nichts ausser wieder Krautsalat an den Schnueren. Aber ein kleineres Boot mit Soloangler nebenan, schlug ploetzlich an und fiel nach aussen ab um Platz zu haben. Da! Meine rechte Rute ruckte an und ich dagegen, ein schicker Coho kam ans Boot nachdem ich ihn hart an den Riemen genommen hatte. Ein weiterer sollte mir nur Minuten spaeter den naechsten Koederfisch stehlen. Alle schnell mit der Zange neben dem Boot abgehaengt. Naechste Runde – rumms, die linke Rute ging in die Knie und ich wurde zwischen den Halb- bis Einmeterwellen hin und hergeschmissen – die Auto-Schwimmweste hatte ich sowieso an! Der Lachs tobte sich in der Ferne muede aber trotzdem wurde die Kescherei bei dem Geschuckele und alleine ein Artistenakt! Beim 3. oder 4. Versuch konnte ich den Chinook endlich in den Kescher zerren. Wenigsten einen musste ich doch behalten! Ca. 15 Pfund.
Und es wurde immer verrueckter. Kaum waren die Ruten beide wieder im Wasser – bang! Erst die eine krumm – dann sofort auch die andere. Wieder ein Double Header. Diesmal war ich gluecklicherweise etwas weiter draussen und brauchte daher die Naehe zum Ufer nicht so zu fuerchten. Ich drillte einen sehr sportlichen Lachs, der wirklich alle Drillregister zog, war die reinste Freude. Aber ich musste mich kurz fassen da da ja immer noch der andere Lachs an der anderen Rute riss. Der war wohl schon einen halben Kilometer weg mit dem Geschirr! Ein anderes Boot steuerte auf die weit rausreichende Schnur zu – sah sie aber wohl rechtzeitig und drehte ab. Sehr nett, vielen Dank! Ich brachte einen feisten vielleicht 18 pfuendigen Chinook heran, machte noch ein paar schnelle Fotos – das glaubt einem ja sonst keiner! – und liess ihn dann wieder frei. Kurz darauf brachte ich noch einen 12- 13 pfuendigen schon sehr erschoepften Chinook an der anderen Rute heran. Auch der durfte wieder. Mann, mir war trotz der kuehlen Brise ganz heiss und ich war ausser Atem. Was war denn hier los heute!? Ich stand ja voll im Schwarm zur vollen Fresszeit wie es schien! Schon 4 Chinooks am Boot gehabt und noch paar verloren.
Und es ging voll so weiter. Ich fing noch 2 weitere, einer war nur um die 10 Pfund – als ich das merkte, kurbelte ich den gnadenlos heran ohne ihm gross Chancen zum Schnurnehmen zu lassen. Der andere war auch so um die 14 Pfund, ein paar Fotos versucht und wieder angehakt. Einen konnte ich ja noch behalten. Aber es schien kein richtiger Brecher dabei zu sein, noch nicht! Wieder zog die 20 m Rute ab, deren Vorfach ich schon neu binden musste, weil es von den scharfen Zaehnen schon aufgerieben war. Ich fertigte das neue Vorfach gleich mit 60ger Schnur. Sicher ist sicher, heute scherte sich kein Lachs um Schnurstaerke. Gleich nach dem Anhieb fuehlte der Fisch sich anders an. Ich konnte ihn zuerst gar nicht von der Stelle bewegen. Nur unwillige unnatuerlich kraeftige Rucke deuteten ueberhaupt an das da was lebendiges am Haken war.
Aber dann! Jetzt kam der Fisch in Rollen und unaufhaltsam sausste eine gute Menge Schnur ab. Dann stoppte das Biest und ich wollte Schnur zurueckgewinnen. Aber das ging im Prinzip nicht. Ich zog was ich dem Geraet zutraute aber es ging nur zentimeterweise. Ich wurde richtig aufgeregt, das musste die Mutter aller Lachse sein, der Fisch auf den jeder sein Leben lang hinarbeitet. Fuer den man kalte, nasse, heisse, oder unfaengige Stunden auf sich nimmt oder die obligatorischen Schelte der besseren Haelfte. Jetzt galt es! So kaempfte ich den Fisch vielleicht 20 Minuten wobei ich immer wieder mal eine Rutsche Schnur verlor - aber er kam naeher. Der Fisch drehte nun sture Kreise tief unten. Ich suchte faszieniert im Wasser um seine Gestalt zu sehen aber die Wellen liessen mich nicht seht gut ins Wasser sehen. Als er dann endlich, endlich auftauchte war ich total perplex. Was? Das ist alles? Der war doch hoechstens 17 Pfund!? Ah, der Drilling hatte sich hinter dem Kiemendeckel verfangen. Ich war fertig mit den Nerven nach dieser Anspannung aber auch in den Armen. Ich hakte dieses truegerische Tier schon fast mit Abscheu ab. Mich so zuverarschen!
Ich setzte mich erst einmal kurz hin und textete Carl, unseren Otter Point Spezialisten, was hier heute los war. Ich war mittlerweile bei 7 Chinooks zum Boot. Sein Neid das alles hier zu verpassen und auf Arbeit sitzen zu muessen, pumpte mir wieder frische Lust in den Koerper. Mal sehen was noch ging. Einen konnte ich ja noch behalten! Und es war noch nicht vorbei. Ich fing noch einen kleineren Coho und verpasste noch 1 – 2 gute Bisse. Dann riss es wieder hurricanartig an der etwas tieferen Rute. Musste wieder so ein sportlicher Teenager sein, nahm schoen Schnur, schuettelte den Kopf – ein Blick zur anderen Rute – Mensch, die pumpt auch schon wieder kraeftig! Gibt’s doch gar nicht, wieder Doppelbiss. Wieder liess ich den einen sausen waehrend ich den anderen hart drillte. Aber diesmal kam es noch dicker. Mein Fisch schwamm nun unaufhaltsam auf die andere Seite und um die andere Schnur herum. Ich fuehrte die Schnur ruckzuck herum. Dann kam der Lachs hochgeschossen und ich kam kaum mit kurbeln hinterher. Der Bursche war richtig auf zack und setzte nun Kurs auf meine Motoren und dann unter dem Boot durch. Ich steckte meine Rute tief ins Wasser und um die Motoren aussen herum und riskierte dabei fast ins Wasser zu gehen. Auf der anderen Seite hatte er nun die Schnur um den Gummisnubber am Downriggerball gewunden und wieder warf ich die Rute fast ins Wasser und wickelte sie ein/zweimal um den Gummiriemen herum um sie wieder freizukriegen. Mittlerweile hatte sich die Rolle der anderen Rute schon bedenklich geleert. Der Fisch musste schon 200 m plus weg sein.
Ich musste dem Drill ein Ende setzen! Als ich den Burschen wieder ans Boot heran gedrillt hatte, sah ich, dass der Drilling voll in der Schnauze sass, der hing gut. Ich reichte nach dem Kescher und griff nach dem Flasher um den Fisch ohne Erbarmen in den Kescher zu zerren. Jetzt blieb aber das Keschernetz in einer Oese am Downriggerkabel haengen – so ein Mist! – Kescher war unbrauchbar, ich liess ihn einfach fallen, betete, dass das Vorfach hielt und hievte den etwa 13 pfuendigen Lachs mit einem zuegigen Zug ins Boot. Geschafft. Ohne mich weiter um diesen nun unherfloppenden Lachs zu kuemmern, schnappte ich mir die andere Rute und drillte den naechsten Chinook. Der war meilenweit hinter dem Boot aber wohl auch ganz schoen ausgepowert. Ich brachte ihn ohne weitere Schwierigkeiten ans Boot. Wieder ein schoener um die 15-16 Pfund, aber eben kein Kapitaler. Ein paar Fotos zum Verschnaufen fuer mich und dann hakte ich ihn ab. Das musste ein richtiger Schwarm von 10-18 Pfuendern da unten sein. Schade, dass nicht ein paar richtige Brocken dabei waren.
Ich versorgte meinen zweiten Chinook und war damit offiziell am Limit. Man kann natuerlich noch Catch&Relase weiterangeln. Ich war mittlerweile bei 9 Chinooks am Boot. Beim Ruteneinsetzen, sah ich das andere Soloboot auch gerade einen Lachs landen und dann einpacken und abduesen. Der in seiner 15-16 Fuss Nusschale hatte wohl genug von der Schaukelei nachdem er sein Limit hatte!
Ich warf nochmal die Koeder rein und war vielleicht 10 Minuten spaeter wieder am Lachs. Der stieg nach paar Sekunden aus. Kurz darauf wieder einer. Der kam sofort an die Oberflaeche und waelzte sich – wieder ab. Haette auch ein grosser Coho gewesen sein koennen – zumindest passt so ein Oberflaechenspektakel eher zu einem Coho. Ich verpasste noch einen Biss und hing dann meinen vorletzten Koederfisch ans Geschirr. Minuten spaeter, ruck, ruck, die Schnur loeste aus und ich drillte wieder einen Chinook. Der war etwas kleiner um die 10-11 Pfund aber verkaufte sich auch teuer. Nachdem ich diesen 10. Chinook abhakt hatte, schaute ich mir den letzten Koederfisch an und…. neee, ich warf ihn ueberbord. Genug ist genug! “Den habt Ihr Euch ohne Haken verdient!”, dachte ich nur. Ich war fix und fertig und konnte mein Glueck sowas erlebt zu haben gar nicht glauben. Ich hatte in 3 Stunden 10 Chinooks zwischen 10 und etwa 18 Pfund ans Boot gebracht. Drei Coho dazu. Hatte 5 oder 6 Chinooks im Drill verloren und noch etliche Bisse verpasst. Wo gibt’s denn sowas!? Ich kann es immer noch kaum glauben, dass das kein Traum war!
Und um das Kraut noch fett zu machen, holte ich noch 4 massige Krabben aus meiner Falle. Ein voller Erfolg! Bloss gut das ich meinem Gefuehl gefolgt war! Was haette ich alles verpasst! Bester Angeltag seit Jahren!