21.9.2015; Victoria
Sonntag wurde sehr windig und daher nutzten meine drei Gaeste den Tag zum Sightseeing in Victoria. Ich nahm mir dafuer Montag frei und plante einen zweiten Angelausflug mit den Dreien. Ausserdem wollte mein Sohn Alexander mit. Als wir abends zusammensassen, beschlossen wir eine etwas andere Taktik als am Samstag; von Sooke hoerte man nichts Neues, vorwiegend kleinere Cohos. Die Chinooks schienen dort nun endgueltig durch zu sein. Aber vielleicht hingen noch einige der Chinooks die letzte Woche noch vor Sooke waren nun vor downtown Victoria herum. Ein Versuch wert. Ausserdem braechte das uns in angenehme Reichweite der Heilbuttgruende an der Constance Bank. Vor Victoria wuerde es allerdings nicht sehr viele Cohos geben. Schwarmlachse wie Cohos, Pinks oder Sockeyes kamen seltener in die Victoria Buch hinein sondern zogen normalerweise von Sooke an auf die offene Juan de Fuca Strait und von da zum Fraser River. Die Chinooks hingegen folgten oft sehr dicht dem Kuestenverlauf entlang und machten keine Abkuerzungen ueber das offene Wasser. Es stand also Qualitaet statt Quantitaet auf dem Programm.
Wir liessen das Boot in Victoria zu Wasser und fingen praktisch direkt vor der Bootsrampe an zu schleppen. Meine Crew war ja nun schon eingespielt am Geraet – dachte ich – und ausserdem hatte ich ja in Alexander einen Co-Skipper! Wir setzten einen Nootkablinker auf 27 m, einen Koederfisch auf 18 m und einen weiteren Koederfisch auf 12 m. Tobias liess sogar noch einen Blinker an seiner Spinnrute an der Oberflaeche hinterherziehen. Vor Victoria ist immer eine Menge los auf dem Wasser. Wasserfluzeuge landen und starten, Faehren kommen und gehen, Whalewatchboote etc. fahren vorbei, man kann die Touristen auf der Mole beim Spazierengehen beobachten, manchmal kommen Kreuzfahrtschiffe herein oder heraus. Wir sahen auch wieder Define und Robben, wobei ich die letzteren mit kritischen Blicken bedachte; waren sie doch potenzielle Lachsraeuber und jeder Angler der schon mal einen schoenen Fisch an der Angel hatte und dann von einer Robbe geklaut bekommen hatte, kann mich gut verstehen!
Es tat sich eine Stunde lang gar nichts. Aber das Wetter war herrlich sonnig und wir hatten ja viel zu plaudern. Da! Ploetzlich riss es an der Blinkerrute und die Rute sprang zurueck – schon ausgeloest! Jochen sah es auch gleich und sprang hinzu. Ich rief noch “schon ausgeloest!” aber er schlug noch mal voll an bis er selber merkte, dass er schon direkt am Fisch war. Der Haken musste tief sitzen nach diesem Anschlag!! Dann ging schon die Post ab und ich sah die Rute horizontal werden. Ich rief Jochen zu: “Lass die Rolle los, Rolle loslassen!” Er zoegerte etwas – das Drillkonzept mit einer Centerpinrolle war ihm wohl nicht ganz geheuer und er hielt immer noch die Kurbel fest. Ich sah wie sich die Rute vollkommen aufzog und die Spannung an der Schnur sich aufbaute – etwas musste geben, entweder Schnur oder Jochen! Endlich liess Jochen die Rollenkurbel fahren und die Spannung entlud sich – ein Teil an Jochens Fingerknoechel die er nicht ganz schnell genug aus dem Weg der rasenden Rollenkurbel bekam. Autsch! Deswegen heissen die Rollen auch “Knuckle Buster”!
Der Fisch nahm ein gutes Stueck Schnur. Das war Grosschinook – das war uns allen klar. Jetzt hiess es klar Schiff machen und ruhig bleiben. Tobias und ich holten die restlichen Ruten ein – zwei davon hatte Jochens davonsaussender Chinook schon aufgegabelt – allerdings konnten wir die Schnuere schnell trennen. Annette steuerte das Boot von Hindernissen weg bis wir den Schleppmotor in den Leerlauf stellen konnten. Alexander holte beide Downrigger hoch. Teamwork! Und inzwischen drillte Jochen den Fisch wie ein Profi. Er hatte sich nun an das Hin und Her mit der Rolle gewoehnt und schaffte es gut die Schnur gespannt zu halten. Am Blinker war nur ein Einzel-Schonhaken. Eine Sekunde schlappe Schnur und der Fisch schuettelt den Haken ab. Jochen wusste um was es ging – seinen Traumlachs.
Tobias filmte den Drill mit seiner GoPro am Kopf und stand schon mit dem Kescher bereit. Wir waren alle gespannt auf den ersten Blick auf den Fisch. Der Bursche hatte zweimal ordentlich Schnur genommen aber jetzt gewann Jochen stetig Schnur zurueck. Ich hielt bange Ausschau nach etwaigen Robben – war aber keine in Sicht. Dann brach der Fisch das erste Mal durch die Oberflaeche, ca. 20 m hinter dem Boot. Eine grosse Schwanzflosse wurde sichtbar aber man konnte noch keine Groesse schaetzen. Ich bereitete Jochen auf eine wahrscheinliche erneute Flucht vor – meistens scheuen die Lachse beim ersten Anblick eines Bootes noch mal und rasen wieder weit davon. Der hier schien mutiger und Jochen brachte ihn das erste Mal in unmittelbare Naehe des Bootes. Jetzt konnten wir ihn gut sehen – der hatte mindestens 20 Pfund auf den Rippen. Vielleicht noch mehr. Tobias verliess nun der Mut zum Keschern und ich uebernahm das Netz. Der Fisch zog noch mal kurz ab und kreuzte dann hinter dem Boot auf die andere Seite. Gut, dass wir alles andere Geraet herausgenommen hatten!
Wieder zog Jochen ihn dicht vor’s Boot und diesmal kam er flach. Mensch war der gross, dachte ich nur und sagte es wohl auch. Nun war er in Reichweite und waehrend ich immer noch auf eine weitere lange Flucht gefasst war, beschloss ich es zu riskieren; ich schob den Kescher blitzartig vor den Lachskopf und der Fisch schwamm reflexartig hinein. Ich zog zu und er war im Sack! Gleichzeitig schnappte die Rute zurueck – der Haken war gebrochen! Wow, Glueck gehabt! Ein vielstimmiges Siegesgeschrei ertoente als ich den Brocken ins Boot hievte. Das musste der Tyee sein! Was sonst! Wir klatschten uns ab und bewunderten den Silberbrocken. Was fuer ein Fisch. Ich hatte leider keine Waage dabei, war mir aber recht sicher, dass der 30 Pfund haben wuerde. Alles richtig gemacht.
Wir setzten die Ruten wieder ein und schleppten eine ganze Weile weiter, immer um die erfolgreiche Stelle herum. Wir sahen noch wie ein anderes Boot in einen laengeren Drill verwickelt war und schliesslich einen Fisch landete aber ansonsten war nichts mehr los. Schliesslich schleppten wir dann ein gutes Stueck die Kueste weiter entlang und machten dann sogar noch einen kurzen Abstecher zu den Oak Bay Flats. Auch hier war ausser einigen Fotos vom durchlukenden Mt. Baker nichts zu holen. Ein One Hit Wonder! Gegen 13:00 Uhr packten wir das Lachszeug zusammen und fuhren zur Westseite der Constance Bank um den Heilbutten auf die Pelle zu ruecken.
Dort waren schon eine Anzahl an Booten verankert und ich musste genau aufpassen, dass ich nicht zu dicht an andere Boote herankam. Die Stroemung war noch so stark, dass wir mit 1 kg Bleien beginnen mussten. Der obligatorische Duftsack ging auch runter um die Butte herzulocken. Alexander hoffte, dass es auch Dornhaie anlocken wuerde – wir ermahnten ihn das Wort nicht einmal auszusprechen. Zu spaet! Die Koeder waren keine 5 Minuten im Wasser als die Rutenspitzen zu ruckeln anfingen und Alexander hatte nun zu tun die Haie einem nach dem anderen nach oben zu kurbeln und mittlerweile fing wohl auch er an zubegreifen, warum man das Wort “Dogfish” beim Heilbuttangeln besser nicht ausspricht.
Die Stroemung liess bald nach und wir konnten zu geringeren Gewichten greifen. Wir hatten gerade die rechte Rute mit neuen Lachsresten bestueckt und abgelassen, als Tobias einen kraeftigen Ruck an der Rute bemerkte und er ging in Stellung – da! noch ein Ruck und schon ging die Rutespitze stetig nach unten. Wie vorher besprochen, kurbelte Tobias hart ein paar Umdrehungen an der Rolle um praktisch den Anschlag zu setzen. Ich finde das funktioniert besser beim stationaeren Grundangeln als erst die Rute aus dem Halter nehmen und dann anrucken. Das in-den-Fisch-Hineinkurbeln wenn die Rute noch im Rutenhalter steckt garantiert eine unmittelbare und zeitnahe Hakenplatzierung was oftmals noetig ist um einen kurzbeissenden Butt zu haken. Mit Kreishaken ist das natuerlich eine ganz andere Sache aber die verwende ich nicht.
Tobias machte das vorbildlich und der Fisch hing. Waehrend ich ihm den Gimbal umhaengte zog der Fisch gut Schnur von der Rolle und wir dachten, dass das ein besserer Fisch sein musste. Gekonnt und norwegen-butterfahren drillte Tobias den Fisch und fing auch die folgenden Fluchten mit der richtigen Bremseinstellung ab. Nach und nach kam der Fisch hoch. Auf halber Hoehe bekam der Butt nochmal seine zweite Luft; allerdings schaffte er es nicht mehr bis zum Grund. Dann hatte Tobias den Burschen endlich oben. 20 Pfund meinte ich. Tobias war skeptisch. Wir ueberlegten was wir mit dem Fisch machen sollten. Ich brauchte kein Fisch mehr fuer meine Verwendung. Und es war zuviel Fisch um es unterwegs auf Reisen zu verwerten. Tobias beschloss ihn mitzunehmen, bei mir gefroren aufzubewahren bis er am Ende seiner Rundreise vielleicht eine Moeglichkeit gefunden hatte es zu verschicken oder selber mitzunehmen.
Er gab Alexander die Rute um den Butt zu gaffen. Irgendetwas lief schief beim Gaffen den ploetzlich tobte der Fisch neben dem Boot los und rast unter dem Boot hindurch. Alexander hatte die Rute zwischen seine Beine geklemmt und war auf so einen ploetzlichen Ruck nicht gefasst – die Rute entfaltete eine gewisse Hebelwirkung ueber die Bordwand und Alexander kruemmte sich vor Schmerz in seinen Weichteilen. Wir konnten uns ein Schmunzeln nicht verkneifen waehrend wir die Situation unter Kontrollen zu kriegen versuchten. Der Butt hing noch fest und kam nicht weit. Ich machte die Harpune klar und stach dann zu. Dann wurde der Butt vertaeut und ausgeblutet.
Wir angelten noch eine Weile weiter aber es sollte wieder bei einen One Hit Wonder bleiben. Wir sahen in der Ferne wieder einen Moewenschwarm verrueckt spielen und wollten das noch mal auskundschaften bevor wir heimfuhren. Tobias, Jochen und Alexander pilkten und blinkerten um das Vogelgetoese aber wieder war kein Lachs bereit die Kunstkoeder zu nehmen. Mein Freund Larry kam mit seinem Boot vorbei und warf uns seine Handwaage herueber damit wir den Tyee bestaetigen konnten. Leider war die Batterie seiner Waage platt und wir bekamen keine vernuenftige Anzeige.
So duesten wir zurueck und nahmen die Fische ganz mit nach Hause um sie dort zu wiegen und zu filetieren. Ausserdem wollten Annette und Jochen bei mir noch ein Abschieds-Steakdinner fuer uns alle zaubern. Ein schoener Angeltag ging zu Ende – wie erhofft und geplant, es war Qualitaet statt Quantitaet! Leider, leider fuer mich stellte sich heraus, dass Jochen’s Chinook doch nicht ganz ein Tyee war – die Waage blieb bei 27,6 Pfund stehen. Ein toller Fisch zum Saisonabschluss und sicher ein Traumfisch fuer Jochen – fuer mich bleibt jedoch das Verlangen nach einem Tyee nach so vielen Jahren Verzicht! Tobias hatte einen ordentlichen Butt gefangen der 20,5 Pfund Lebensgewicht hatte. Damit hatten alle drei meiner Gaeste ein paar anstaendige Fische gefangen, wenn das Angeln auch nicht red hot war. Wir hatten eine schoene Zeit zusammen verbracht, uns kennengelernt und interessante Geschichten ausgetauscht – nicht zuletzt auch von unseren vergangenen Norwegenerlebnissen. Die drei haben mal einen Einblick in die hiessige Fischerei mit ihren Vorzuegen und auch Problemen bekommen, das hiessige Geraet in Aktion gesehen und betaetigt und ausserdem die schoene Gegend am Suedzipfel von Vancouver Island genossen. War klasse! Gerne wieder!
Vielleicht stellen Annette und/oder Tobias ja noch ein paar Fotos oder Videos hier ein – sie hatten ja viel mehr fotographiert als ich!