10.8.2015; Port Hardy - Tag 4
Port Hardy Tag 4:
So, am Abend von Tag 3 hatten wir uns mal ersthaft um ein paar Glaeser herumgesetzt und die Lachssituation diskutiert. Es war ja kaum zu glauben, dass man nach 3 Tagen in Port Hardy noch nicht einen Lachs ueber 20 Pfund gefangen hatte. Haetten wir so viel Resourcen und Stunden in Lachs zu Hause vor Victoria investiert, haetten wir zwischen unseren 2 Booten mit Sicherheit ein Dutzend und mehr Chinooks in der 20+ Klasse gehabt. Woran lag es hier?
Das wir alles falsch machten, dagegen sprach, dass wir auch andere Gruppen nichts Grosses fangen sahen. Auch ueber Funk war kaum was von Grosslachs zu hoeren gewesen. Dave fragte einfach mal unseren Vermieter. Es stellte sich heraus, dass er Ex-Berufsfischer war und sich gut auskannte mit den Lachsgepflogenheiten. Er meinte, es waeren momentan nicht viele Chinooks vor Ort. Wir haetten einfach Pech gehabt denn der schwere Niederschlag an unserem ersten Tag hatte alle vorhandenen Lachse weiterziehen lassen (Lachse riechen ihren Heimatfluss staerker wenn der vom Regen anschwillt) und eine neue Lachs-Welle war wohl noch nicht angekommen. Aber er meinte, die Neuen muessten jede Flut kommen. Na da war wenigstens Logik dahinter und liess auch noch Hoffnung.
Es sollte am Tag 4 von mitte des Morgens an fluten – dann kamen hoffentlich Scharen an dicken Chinooks in die hiessigen Fischgruende. Wir verabredeten das wir hart am Castle Rock Point fischen wuerden. Schon vor Fluteinsatz, durch den Gezeitenwechsel und geduldig durch die Flut. Das war der Plan!
Wir wachten mal wieder, wie konnte es auch anders sein, zu einem sonnigen, windstillen Tag auf. Wenn ich es nicht besser wuesste, wuerde ich hier Port Hardy glatt zu einem Strandurlaubsparadies erklaeren. Normalerweise ist es hier auch im Sommer regnerisch, grau und ungemuetlich. Diesmal liessen wir Duval links liegen und flogen gleich nach Castle Rock raus. Zwei Guideboote und ein paar andere waren schon am Werk als wir ankamen. Die naechsten 2 Stunden zogen wir Runde um Runde, flach, tief, mittel, Koederfisch, Blinker, Plastik – nichts als Sonne und herrliche Gegend. Der Gezeitenwechsel kam und die Flutstroemung begann. Und auf einmal passierte etwas.
Wir konnten wieder etwas vom Ufer ab vor der Felsnase eine Vogelmasse beim Sturztauchen beobachten. Wir zogen sofort dahin und schleppten am Rande der Aufregung. Und ploetzlich kam Leben in unsere flachen Schnuere – egal ob mit Blinker oder Koederfische bestueckt! Erst Dave, dann Ricardo waren mit richtig guten Cohos beschaeftigt. Auch ich durfte bald einen feisten Coho drillen, weitere bissen und gingen verloren im Drill aber das spielte keine Rolle, wir konnten eh nur noch einen oder zwei unmarkierte mitnehmen. Jeder der Cohos war mindestens 10 Pfund, einer von Ricardo wohl locker 12 Pfund. Wir fanden sogar einen markierten in all den wilden Cohos – der war natuerlich der Kleinste mit vielleicht 6 Pfund. Eine tolle Angelei aber es schienen auch wirklich nur Cohos um den Heringsschwarm zu sein.
Ploetzlich rief uns Carl ueber Funk wir sollten zu ihm auf die andere Seite kommen. Sie haetten einen ordentlichen Chinook im Boot und viele Bisse. Vielleicht waren die Chinooks ja jetzt dort angekommen, dachten wir und liessen uns nicht bitten. In 5 Minuten waren wir neben der Jalopy und wollten Beweise sehen – Glenn hielt einen 15-16 Pfuender hoch – jedoch keinen Chinook sondern einen in dieser Gewichtsklasse gewaltigen Coho! Oh Ihr Stuemper! Die Jungs hatten einfach nicht mit solch grossen Cohos gerechnet und automatisch Chinook gedacht als sie einen Lachs in diesen Dimensionen vor dem Kescher sahen. Also immer noch keine Chinooks, die ganze Aufregung wieder “nur” wegen Coho. Naja, wo wir jetzt schon auf dieser Seite waren, fischten wir nun auch eine Weile Seite an Seite mit der Jalopy.
Da waren natuerlich kleine Unterhaltungsspiele noetig; wir spritzen die Jalopy Crew mit Wasserpistolen voll, die schossen alte Koederfische herueber, wir drehten die Stereoanlagen auf und sangen ungehoerige Lieder (und das vor meinem jungen Sohn! Rabenvater!)…. Spass muss sein!
Nach einer Weile fragten wir uns ob wir nicht doch noch mal zur Felsspitze wo die Heringe waren, fahren sollten. Klar, los! Alles schnell eingeholt und an der verbluefften Jalopy Crew vorbeigeduest.
Es waren immer noch viele Voegel auf dem Wasser aber nicht mehr im Fressrausch. In der Ferne konnten wir wieder einen Buckelwal sehen. Der suchte wohl auch wo die Heringe geblieben waren. Diese Stelle schien aber bei Flut auch eine gewisse Kehrstroemung zu erzeugen weil eine Menge Kraut und Holz sich angesammelt hatte. Wir setzten die Ruten etwas ausserhalb des Schwimmgutfeldes ein. Weil die Cohos alle zwischen 7 und 12 m Tiefe gebissen hatten, gingen Dave’s und meine Rute auch dahin. Ricardo wollte seine auf – wie auch anders – auf 101 Fuss haben. “Wie Du willst” sagten wir uns. Und ich weiss nicht was es ist mit Ricardo und 101 aber es scheint eine genial Kombination zu sein: seine Rute ruckte hart an und loeste gleich aus.
Ich stand direkt daneben und riss die Rute raus und ruckte an und reichte die Rute meinem schon ungeduldig wartenden Sohn. Die Schnur lief konstant von der Rolle – das war kein Coho, das war Chinook! Es gab uns Zeit alles einzuholen und das Deck klar zur Landung zu machen. Lange hatten wir auf diesen Moment gewartet und alles in Gedanken hundertmal durchgespielt. Zwischen uns lief alles wie am Schnuerchen. Ricardo war nun schon ein erfahrener Lachsfischer und drillte den Fisch sehr kompetent. Dave und ich wussten genau was sonst noch zu tun war. Ich steuerte das Boot so dass Ricardo gute Kontrolle hatte und Dave gab mehr oder weniger Gas je nachdem ob Ricardo mehr oder weniger Druck auf der Schnur gebrauchen konnte.
Der Fisch kaempfte ausdauernd; kaum war er mal fuer paar Sekunden in Bootsnaehe, riss er wieder aus, mal tief, mal flacher. Endlich bekamen wir ihn mal richtig zu Gesicht – kein Monster aber der erste Chinook von etwa 20 Pfund hier in Hardy. Noch ein paar kleinere Fluchten dichter um’s Boot herum und dann zog Ricardo den Fisch perfekt auf das Boot zu. Dave hatte den Kescher und ich sah ihn im richtigen Moment zulangen – Platschen, Dave hob den Kescher hoch und…. kein Fisch drin!!! Waehrend Ricardo nun das wilde Toben des nun aufgeschreckten Lachses abfangen musste, schaute Dave wohl genauso verdutzt wie ich – auch er konnte nicht begreifen warum der Fisch nicht im Kescher war!? “Dave, what the hell happened!???”, entrueckte es mir. Er konnte es mir nicht erklaeren – auch war dazu keine Zeit.
Ricardo zog den sich schuettelnden und schaumschlagenden Fisch in Reichweite und diesmal versenkte Dave den Fisch sicher im Kescher. Also hatte das Netz kein Loch – um so unerklaerlicher war der erste Fehlversuch. Aber alles nochmal gutgegangen. Wir waren froh und beschwingt, endlich einen vorzeigbaren Chinook in Hardy ueberlistet zu haben. Carl musste wohl von weitem etwas gesehen haben und fragte bald ueber Funk nach was los waere. Sie gratulierten Ricardo ueber Funk zum bisher schwersten Lachs des Trips und kamen auch bald herbei um mit uns zusammen zu sehen ob da noch mehr zu holen waere. Aber bis auf ein, zwei weitere Cohos ging nichts mehr an dieser Stelle, egal ob flach oder tief oder auf 101. Es war und blieb eine Eintagsfliege.
Etwas spaeter kamen wir zur Beratung zusammen und beschlossen lieber noch mal zum Ling Riff von vor 2 Tagen zu fahren. Vielleicht konnte der Ling-King nochmal sein Rekord toppen. Aber das Riff erteilte uns eine weitere Lehre; auch die Lings sind entweder nicht immer zur Stelle oder, was wahrscheinlicher ist, fressen auch nicht non-stop. Wieder die Aehnlichkeit mit einem Krokodil, dachte ich; die fressen sich einmal die Woche den Wanst voll und liegen dann faul in ihrer Hoehle zur Verdauung. Die koennen ja nicht staendig 2 ganze Lachse und einen Felsenbarsch dazu verspeisen!
Was nun? Es war frueher Nachmittag. Die Jalopy Crew wollte frueh Schluss machen um ihren bisherigen Fang vakuumverpackt einzufrosten. Das konnte ein paar Stunden dauern. Wir hatten das aber schon jeden Tag gemacht. Ich wollte so gerne noch einen Red Snapper fangen (korrekt waere das ein Yelloweye Rockfish – ein entfernter Verwandter des Rotbarsches). Dave hatte auch eine Heilbutt/Snapperstelle von einem Guide empfohlen bekommen. Diese Stelle war jedoch auf der Aussenseite der Inselwelt – im offenen Pazifik. Aber das Wasser war ein Ententeich – bessere Bedingungen fuer eine Tour auf’s offene Meer konnte man nimmer bekommen. Also los, wir duesten alleine ab. Die erste halbe Stunde noch durch die Inselwelt und dann durch die letzten Inseln auf’s offene Meer. Keine Duenung und vielleicht 20 cm Wellchen – so habe ich den Pazifik noch kaum gesehen! Perfekt!
Wir fanden auch schnell das beschriebene Plateau was eigentlich ein weitlaeufiges Loch mit 80 – 100 m Tiefe zwischen allerlei flacheren Zonen war. Wir driftfischten mit dem Heilbuttgeraet und praktisch selben Koedern (ganze Heringe und Lachsfetzen). Eine sachte Drift brachte uns leicht voran, liess uns aber gut Bodenkontakt halten. Dave hatte den ersten Fischkontakt und der zog die Rute auch gleich ordentlich krumm. Das musste ein Butt sein! Tatsaechlich brachte er nach einer Weile einen knapp 20 pfuendigen Butt hoch – gegafft und versorgt. Klasse, die Tour war schon mal nicht umsonst gewesen! Vielleicht ging noch mehr. Nach einiger Zeit hatte ich einen vorsichtigen Anfasser – ich wartete mit dem Anschlag bis ich meinte jetzt muesste er haengen und kurbelte fest an. Etwas blieb haengen!
Nun begann der lange Weg nach oben. Ich merkte einen stetigen Widerstand da unten – jedoch an dem Heilbuttgeschirr kaum der Rede wert. Ich sagte den ganzen Weg hoch immer wieder laut vor mich hin: “Bitte lass es ein Snapper sein!”. Waere es ein Heilbutt, muesste es ein mickriger Kerl sein. Hai oder was Anderes war uninteressant. Dave fand das lustig. Als ich fast oben war, schauten wir alle gebannt ins Wasser – dann tauchte etwas orangefarbenes auf. Ich jubelte “Mein Snapper, jawoll!”. Ein schoenes Tier von um die 13 Pfund tauchte auf und war von dem Druckunterschied praktisch schon erledigt. Was fuer tolle Farben, was fuer ein tolles Tier! Ricardo sah seinen ersten Snapper live und war auch beeindruckt!
Ein bisschen Reue kommt bei mir immer auf wenn ich grosse gefangene Snapper sehe. Meiner war ja noch bei weitem kein Rekordtier. Dave hatte in seiner Jugend schon ueber 20 Pfuender gefangen und es gab immer mal wieder sogar welche in den 30gern und ueber einem Meter lang. Solche Tiere waren an die 100 Jahre alt und auch meiner hatte wohl um die 50 Jahre auf dem Buckel. Irgendwie schade solche Dinos zu erlegen – Yelloweyes sind wie alle Felsenbarsche extrem langsamwuechsig und daher auch schnell Opfer von Ueberfischung. Und sehr lecker sind sie auch noch dazu! Naja, der eine wird wohl nicht allzuviel ausmachen im Bestand. Hier im Norden gibt es so wenig Angler auf so einer grossen Wasserflaeche, die Snapper-Bestaende sind hier noch gesund. Bei uns vor Victoria ist das eine andere Geschichte. Aber auch da haben wohl die Angler nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Die kommerzielle Fischerei holt da ganz andere Mengen nach oben.
Wir setzten nochmal um und begannen unsere letzte Drift. Dave hatte das letzte Wort und hakte wieder einen kraeftigeren Gegner. Musste wohl wieder ein kleinerer Butt sein so wie der kaempfte. Um so erstaunter waren wir als Dave einen ordentlichen Ling von 90 m Tiefe heraufholte. Ha, die leben wohl ueberall? So hatten wir jetzt Lings in praktisch jeder Tiefenregion von 15 bis 90 m gefangen. Sieh mal einer an, haette ich nicht gedacht!
Danach packten wir ein und fuhren die lange Strecke zurueck. Fast eine Stunde bis wir wieder am Resort waren und in einigen Meeresengen gab es nun doch etwas Wellengang und ich war wieder beeindruckt wie leichtgaengig mein Boot damit fertig wurde ohne den Fahrkomfort zu beeintraechtigen. Am Resort packten wir unser farbenfreudiges Fangpaket aus – von jedem etwas: ein Chinook, ein Coho, ein Ling, ein Snapper und ein Heilbutt. Westcoast Grand Slam! Wieder ein herrlicher Tag, endlich einen Grosslachs und mein Snapper. Hat doch vieles geklappt heute! Nur noch ein Morgenfischen blieb uns, leider! Es wird uns schwerfallen, diesem Traumrevier den Ruecken zu kehren!