Jürgen Diebäcker
Well-Known Member
Norwegen-Angler und Berufsfischer rätseln:
Wo sind die Dorsche?
Zwei Wochen am Lyngenfjord – nach allem, was wir zuvor (vornehmlich in überschwänglichen Fachzeitschrift-Berichten) gelesen und (zum Teil auch hier) gehört hatten, musste uns da ein Super-Fangerlebnis bevorstehen. Von Dorschen wurde dort ja angeblich überhaupt erst gesprochen, wenn sie Meterlänge oder 20 Pfund Gewicht hatten. Und, und, und…
Die Realität war ernüchternd. Zwar haben mein Freund Hans Kärcher und ich Anfang Juni am Lyngenfjord nicht schlecht gefangen (Bericht folgt hier noch unter dem Stichwort „Lyngenfjord“)- Doch Dorsche haben wir dort (fast) vergebens gesucht, wie viele Kollegen kaum welche gefunden. Obwohl wir über 20 Jahre Norwegen-Erfahrung verfügen und aus vielen Urlauben wissen, „wie’s geht“, ging uns rund um Olderdalen und auf den vielgelobten „Topplätzen“ des Lyngenfjords rund um die Insel Aroyholmen außer ein paar Fünfpfündern kein Dorsch an Pilker oder Naturköder. Nur wer bereit war, anderthalb Stunden Vollgasfahrt gen Norden in Kauf zu nehmen, konnte weit nördlich von Rotsund einige Zehnpfünder auf die Schuppen legen.
Anderen Anglern (und nicht nur am Lyngenfjord, sondern wie ich höre auch in Mittelnorwegen) ging es in diesem Frühsommer ähnlich wie uns: Gute Dorsche blieben Zufallstreffer. Wir fingen im Lyngenfjord zwar sehr schöne Steinbeißer und Lumbs bis fünf, sechs Kilo, aber:
Wo blieben die Dorsche?
Ähnliche Erfahrungen machten in diesem Frühjahr offenbar auch viele Berufsfischer, die in Nordnorwegen sehr schlecht fingen. Einer von ihnen, den ich seit Jahren kenne, berichtete mir nach dem Lofot-Fang im März von „Tagen mit einem einzigen Fisch“ und schwor, er werde nie wieder dorthin kommen. Ein anderer brach seinen Lofot-Trip frustriert ab und wich mit drei Kuttern in die Gewässer weit draußen im Golfstrom vor Tromsoe aus – mit mäßigem Ergebnis.
Über die Ursachen des Dorsch-Mangels fanden wir vor allem Vermutungen, keine stichhaltigen Erkenntnisse.
Version 1: Das Ausbleiben der Dorsche ist auf die durch die Klimaveränderung stetige Erwärmung des Nordmeers (angeblich jedes Jahr um 0,2 bis 0,3 Grad) zurückzuführen.
Version 2: Durch die sehr starken und späten Schneefälle dieses Winters war das Wasser in den Fjorden und vor den Küsten des Nordens diesmal im Frühjahr ungewöhnlich kalt – laichbereite Dorsche blieben deshalb in der Finnmark.
Version 3: Der Dorsch-Mangel ist Ergebnis längjähriger Überfischung.
Alle Norge-Erfahrenen – vor allem unsere im Lande lebenden Experten – frage ich hier: Was denkt Ihr, woran es lag (und immer noch liegt), dass so wenige Dorsche gefangen wurden und werden? Lasst uns die Ursachen prüfen und hier offen diskutieren. Vielleicht liegt’s ja wirklich daran, dass wir Anglern (und vor allem die Berufsfischer) in den vergangenen Jahren den Hals nicht voll genug bekommen konnten, so dass der Küstendorsch ersthaft gefährdet ist…
Ich bin gespannt auf Eure Berichte hier.
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