Vesteralen 2007

Norweger2000

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Es war mal wieder einer dieser kalten und dunklen Wintertage…man ging im dunkeln zur Arbeit und kam im dunkeln wieder nach Hause… doch irgendwas war anders…in mir wuchs eine Sehnsucht…ich musste daran denken, wenn ich morgens Aufstand und ging mit diesen Gedanken wieder ins Bett. Es war der Virus in mir…der Virus, nach der Weite und der zeitlosen Zeit, nach den kreischenden Bremsen und den gebogenen Ruten…nach den Abenden mit den Jungs auf der Terrasse mit einem „kühlen blonden“ in der Hand und Anglerlatein im Mund…und dem Blick über das weite und endlose Meer. Die Zeit in der Mann den Anzug gegen den Jogger tauschte und der Bart wachsen durfte…

Nach den Momenten wo man Morgens aufwacht und sofort auf den Himmel schaute, wie ist das Wetter!?, Von wo kommt er Wind!?. Ist der Wind zu stark oder kann man die „Hot Spots“ anfahren… JA es war die Sehnsucht nach „zu Hause“

Wir waren im August 2006 auf den Vesteralen (Gemeinde Bo). Viele Sagen „Wer noch nicht in Nordnorwegen war, der war noch nicht in Norwegen“. Bisher habe ich es für ein Gerücht gehalten…aber anglerisch ist es wirklich eine andere Welt.

Ich rief also die Jungs an und brauchte Sie nicht lange überreden. Wir wollten im Juni wieder in die kleine Anlage auf den südlichen Vesteralen. Mit den 6 Wohnungen und Booten, wo man wirklich für sich fischen konnte… ohne das Gefühl „auf einem Parkplatz“ zu angeln.
(So nennen wir die Hot Spots wo 10-20 Boote zusammen stehen…um einen armen einheimischen Fischer herum). Wir buchten im Juni…

Die nächsten Wochen/Monate vergingen wie im Fluge, auch wenn das Fieber langsam wuchs…die letzten 2 Wochen waren wieder schwierig….

Man hat 40 KG Fluggepäck…was darf mit und was nicht… (seit meinem ersten „Norwegen“Flug kann ich Frauen mit Ihren „Schuhproblemen“ beim Urlaub in den Süden verstehen…).

Dann war alles gepackt. Der 2 stündige Flug verlief ohne Probleme und auch der Zoll, wollte uns dieses Jahr nicht wieder beim kontrollieren helfen, ob wir wirklich alles mithaben.

Auf der 3 stündigen Busreise überkam mich wieder dieses Gefühl… es war behaglich und schön…ich war auf dem Weg „NACH HAUSE“… nur diesmal senkte sich mein Puls und ich entspannte mich.

Als wir ankamen packten wir entspannt aus. Thommy der Besitzer erkannte uns und wir redeten kurz. Mit uns stiegen noch weitere Gruppen aus, 1 Grosse Gruppe aus Österreich und 2 Gruppen aus Norddeutschland. Wir redeten kurz mit Ihnen…und machten uns danach ans auspacken und montieren der Ruten. Nach einer kurzen kräftigen Mahlzeit, ging es dann Abends noch mal aufs Wasser. Wir nahmen nur unser light Tackle mit und fuhren in den Abend. Wir wussten wir haben Zeit…den zu dieser Jahreszeit wird es nicht dunkel und meistens fingen wir Abends oder nachts besser als am Tage.

Am Bootssteg sprachen wir noch mit einer Truppe, die 1 Jahr zuvor direkt auf den Lofoten war und die mit Ihren Erfolgen protzten….Sie wollten von uns nichts wissen sich nur etwas profilieren. Es war uns egal, wir kannten das Revier und wollten nur eines wissen…IST DER GROSSKÖHLER DA!? Das Wetter war für Juni super kühl und die Wassertemperatur mit 3,2 Grad recht kalt. Die ersten beiden Tage sind schnell erzählt. Wir fingen einige schöne Köhler bis 90 cm. Aber fährt man für solche Fische in den Norden!?

Nach einem stürmischen Vormittag, wo wir als einziges Boot unser Glück versuchten und einige schöne Köhler und Dorsche bis 12 Pfund verhaften konnten.

Fuhren wir Abends noch mal zu dritt raus. An einem Plattaue Richtung Fjordinneren versuchten wir unser Glück und bekamen einige mittlere Köhler und Lumps an die Oberfläche. Ich tauschte meinen Pilker gegen einen großen Gummifisch mit 2 Einzelhaken auf dem Rücken. Nach dem 2. ablassen bekam ich einen harten Biss und es wurde mir leicht, aber stetig Schnur von der Rute gezogen. Die 30 lbs war gut gebogen, doch der Fisch war gut gehakt und nach einem kurzen Drill erschien der 1. gute Fisch des Urlaubs an der Oberfläche. Ein Dorsch von 125 cm mit 28 Pfund wanderte über die Bordwand !!! Die Freude an Bord war groß.

Am nächsten Tag wollten wir wieder unseren Lieblingsfisch suchen, wir lieben es wenn sich die 100 Gramm Ruten mit den mittleren Stationärrollen auf einen Tanz mit den Großköhlern einlassen. Auf der Ausfahrt Richtung offenes Meer, sah mein Freund auf der Seite auf einmal kleine Köhler springen und schrie nur „STOPP“. Wir stoppten sofort.

Die light tackle Ruten waren fertig und wurden sofort ausgeworfen. Mein Köder war kurz am Grund und als ich Ihn einholte merkte ich auf einmal einen Schlag in meiner 100 gramm Rute. Die Aspire krümmt sich und die Rolle kreischte wie ich es noch nie gehört hatte. Die nächsten 10 Minuten ging es nur in eine Richtung….der Fisch diktierte den Drill und ich war froh, dass ich ca 500 Meter Schnur auf meiner Slammer hatte. Nach 10 Minuten konnte ich den Fisch erstmals stoppen und bekam ich langsam Stück für Stück Richtung Boot. (An dieser Stelle war das Meer nur 35 Meter tief und der Fisch ging seitlich weg)
Nach über 20 Minuten tauchte „ER“ das erste mal neben dem Boot auf. Es war ein Köhler von 123 cm und 25 Pfund der an der Seite gehakt wurde. Mein Jubel muss alle noch schlafenden Norweger auf der Insel geweckt haben…mein Traum war erfüllt und den Rest des Tages genoss ich wie meine Jungs und ich noch ca. 15 weitere Fische zwischen 80 und 103 cm fingen. Wir setzen viele unverletzte Fische zurück und machten die restlichen Fische in der Halle Küchen fertig.

Die Fänge bei den anderen Gruppen waren gemischt. Die Österreicher waren nur auf Dorsch aus, und fingen viele mittlere Fische und auch einige Fische knapp den Meter.
Die beiden Gruppen aus dem Norden von Deutschland fingen komplett unterschiedlich. Die 3er Gruppe fing gut und war vollkommen entspannt, nach einem kurzen Gespräch beim Bier stellte sich aber heraus, dass Sie auch im letzten Jahr schon mal da waren und genau wie wir die Stellen kannten. Die vermeintlichen Großfischfänger von unserem 1 Tag am Steg, gaben kleinlaut zu, dass Sie die großen Fische auf den Lofoten nur mit dem Guide gefangen haben. Sie meinten, es liegt am Wetter bzw. die Fische wären nicht da. Aber nach einigen Tipps von uns und den anderen die Sie mittlerweile auch sehr freundlich annahmen fingen Sie die letzten Tage auch noch gute Fische. Wir mussten zugeben, dass es dieses Jahr sehr schwer war die Köhler zu finden, da Sie häufig sehr tief standen (120 bis 150 Meter) und auch sehr vereinzelt.

Eine 2er Gruppe aus Deutschland war mit dem Auto da, für 2 Wochen. Am Anfang wunderten wir uns, warum die Jungs kaum Fisch fingen…nach 1-2 Tagen stellten wir aber fest, dass Sie nur mit dem Auto gekommen waren, damit Sie den ganzen Alk auch transportieren konnten. Rauchen in Ihrer Nähe war nicht empfehlenswert und hätte zu Explosionen führen können….Ohne Worte

Bei unserer vorletzten Ausfahrt erlebten wir eine Sternstunde wie man Sie wahrscheinlich nur einmal im Leben erleben darf. Ich fing an dem Tag 4 Fische, wo von der kleinste 90 cm war. Die anderen 4 waren alles Köhler mit einer Länge zwischen 105 und 110 cm!!! Sie bissen auf kleine Pilker oder 20 cm Twister an 60 Gramm Köpfen…. Diesen Tag werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Da alle Drills über tiefen von 30 bis 50 Metern stattfanden und ich mit einer 100 Gramm Rute fischte war ich danach kaputt aber glücklich.

Der letzte Tag wurde dafür genutzt, an eine Stelle zu fahren wo wir keine Fische erwarteten und es wurde das Motto ausgesprochen „ Wer einen fängt muss nach Hause schwimmen“, denn wir hatten unsere 15 Kilo Filet pro Person voll. Zum Glück fingen wir nichts, so musste auch keiner von uns nach Hause schwimmen. Wir mussten nur einmal lachen, als neben uns das Boot mit den beide „Besoffkis“ hielt und dort angeln wollten…wir haben Ihnen dann erzählt warum wir da angeln und Sie sind weitergefahren.

Wir haben die Woche auf den Vesteralen fernab des Massentourismus sehr genossen und mussten in diesem Urlaub feststellen, welchen großen Vorteil es hat, wenn man in ein Revier fährt was man bereits kennt und wenn man sich intensiv mit Gewässerkarten und Tiefen beschäftigt. Denn die GPS Positionen aus dem Vorjahr waren auf Grund der anderen Windrichtung und der anderen Wassertemperatur fasst uninteressant.

Ich habe schon einige Urlaube in Norwegen erleben dürfen und bin meistens mit mittelprächtigen Fangergebnissen aber unvergleichlichen Erlebnissen nach Hause gefahren. Nur habe ich in den letzten Jahren die Berichte in den Anglerzeitschriften mit einem schmunzeln gelesen, da ich bis zu diesem Urlaub nicht geglaubt habe, dass es so was wirklich gibt…. Ich weiß dass es im nächsten Jahr wieder alles anders sein kann und dann werde ich meinen Urlaub mit der Rute in der Hand und dem Blick auf den Horizont einfach genießen, da gerade kein Handy klingelt und man keinen Termindruck hat, sondern sich einfach mal fallen lassen kann und sich den Wind um die Nase pfeifen lassen kann… kann es noch mehr LUXUS geben !?
 
bilder die 2.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Na endlich mal wieder ein Klasse Bericht...
Norweger, du hast nicht nur den Namen, sondern auch die richtige Einstellung...
Besonders der letzte Absatz hat es in sich...

meine Hochachtung.......:] :] :]
 
Hallo Norweger2000,

ein Klassebericht. Sagt alles aus über die Deine Wertschätzung von diesem wunderbaren Land.

Gruß Gerald
 
Hallo,

danke für deinen Bericht.
Ich kann dir in Bezug Vesteralen nur recht geben.
Auch wir durften diese Gegend weit ab vom Tourismus erleben.
Es gibt keinen größeren Luxus, ohne Telefon, Wecker und wieder mal richtig schlafen.
Bei uns gab es im Umkreis nicht mal ein paar Nachbarn.
Beeindruckend fand ich die Stille, das ist mir zum ersten Mal in meinem Leben aufgefallen, was Stille überhaupt heißt.

climber
 
Sehr schön!!! Hat mir prima gefallen.

Vielen Dank.

Beste Grüße

torsk-king
 
so soll ein nord-norwegen bericht lauten! enthällt alles, was man braucht (abgesehen von ein paar hüttennachbaren mit sonderbaren präferenzen)!
 
Egal wo man sich in die Natur Norwegens einfügen kann, es ist immer wieder ein Erlebnis in welch Schönheit einen dieses rauhe aber herzliche Land einbezieht.

Genau das hat Norwegen auch gelungen ausdrücken können.

Ein dickes Danke an Dich :baby:
 
Selbst beim Lesen war die Entspannung noch zu spüren, die Ihr Euch gegönnt habt. Wir genießen auch jedes Mal den Urlaub im Norden, ohne Fernseher, Radio, Wecker und Telefon - Das ist Urlaub pur.
 
Ein Superbericht !!

Sowohl der Anfang, in dem ich mich voll wiederfinde, als auch der Schluss, der genau die Empfindungen ausdrückt, SPITZE.
 
Moin Norweger2000,
ein wirklich lesenswerter Bericht - TOLL!!!:baby: :baby: :baby:

Zitat:
"…Viele Sagen „Wer noch nicht in Nordnorwegen war, der war noch nicht in Norwegen“.
Bisher habe ich es für ein Gerücht gehalten…aber anglerisch ist es wirklich eine andere Welt…"

…pure Weisheit ;) :baby:

Danke für deine Zeilen!

Salü Udo
 
Das Bild mit dem Boot ist von dem Wahnsinnstag...auch wenn es viele grosse Köhler waren, haben wir KEINEN Blutrausch gehabt und unser Gewicht eingehalten... Bis auf 1-2 Kilo drüber...:rolleyes:

Gruss aus Hamburg

Matthias
 
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