Hier die Kopie meines Schreibens an das Bundesamt für Verbraucherschutz:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wende mich unter Bezug auf das VIG an Sie mit der Bitte um Information/ Stellungnahme in einer sehr speziellen Angelegenheit:
Es geht um die Bestellung von Artikeln im Kontext der Freizeitfischerei im Nicht EU Ausland als Privatkunde/ Endverbraucher.
Konkreter Anlaß ist die Entscheidung einer Zollbehörde, eine in Japan bei einem bekannten Online Anbieter bestellte Angelrolle nicht an den Endkunden (Besteller) zu übergeben mit der Begründung, es fehle an einer Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache iSv § 3 Abs.4 ProdSV.
Aus meiner Sicht entbehrt diese Praxis jeder Rechtsgrundlage.
Richtig ist lediglich, dass das ProdSG zur Anwendung kommt, weil der gewerblich tätige Online Händler das konkrete Produkt bereitstellt, indem er es in den europäischen Wirtschaftsraum (hier D) mit dem Ziel des Besitzwechsels (an den Endkunden) verschickt.
Ausschließlich mechanisch wirkende Angelrollen ( anders sog. Elektrorollen) unterfallen dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 ProdSG. Dh eine Gefahreneinschätzung erfolgt aufgrund der im Gesetz genannten Soll Kriterien insbesondere unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks.
Mechanische Angelrollen sind - wenn man nur halbwegs eine Vorstellung von deren Funktion hat - mit überhaupt keiner Gefahr im Rahmen ihrer Benutzung verbunden. Es geht um die Betätigung einer Handkurbel, eines Schnurfangbügels (Stationärrolle) oder einer Freigabetaste (Multirolle, Baitcast Rolle). Also um die Nutzung simpelster Mechanik ohne jeden Kraftaufwand. Auf diesem Hintergrund ist weder erkennbar, dass die Benutzung mit auch nur dem kleinsten Risiko einer Verletzung verbunden ist, noch ist bekannt, dass es jemals zu einem Fall gekommen ist, in dem sich der Nutzer einen Schmerz oder eine Verletzung im Rahmen des Gebrauchs zugezogen hat.
Noch absurder ist es, auf der Grundlage des § 3 Abs.4 ProdSG eine Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache für notwendig zu halten. Diese würde in dem hier besprochenen Rollentypus in etwa so aussehen:
1) Die Kurbel ist zum Kurbeln da.
2) Zur Freigabe der Schnur legen Sie den Schnurfangbügel um bzw. betätigen Sie die Freilauftaste.
Ebenso keinerlei Gefahr für die Gesundheit besteht bei der Wartung oder Reparatur einer solchen Rolle, falls man sich dieses als Endkunde überhaupt zutraut. Angelrollen sind feinmechanische Geräte, bei deren Wartung allenfalls die Gefahr besteht, eine der vielen winzigen Schrauben zu verlieren. Die Annahme, man setze sich bei dieser Tätigkeit einem Verletzungsrisiko aus, ist einfach nur abwegig, es sei denn, man fügt sich eine Fleischwunde durch die Verwendung eines aus dem Optik Bereich stammenden Mini Schraubenziehers oder sonstigen Tools zu. Die Wahrscheinlichkeit ist in etwa so hoch wie die Gefahr des Ertrinkens in der eigenen Toilette!
Weiterhin nicht nachvollziehbar ist es sodann, über § 6 ProdSG die Angabe eines Bevollmächtigten oder Einführers ( Definitionen § 2 Nr. 6,8) zu fordern. Es handelt sich um eine Direktbestellung z.B. in Japan, im Zweifel bezogen auf sog. USDM/ JDM Produkte ( domestic products). Dh. der jeweilige Hersteller/ Anbieter hat überhaupt keinen Sitz/ keine Vertretung innerhalb der EU. In der Sache handelt es also um einen simplen Kaufvertrag zwischen einem Endverbraucher (Privatkunde) und einem ausländischen Anbieter (außerhalb der EU), an dem keinerlei gewerbliche Zwischenakteure (Einführer, Bevollmächtigte) beteiligt sind und für den im Übrigen Art. 4 Rom 1 Abkommen Anwendung findet (es gilt das Recht des Verkäufers).
Zuletzt sei bemerkt, dass mechanische Angelrollen der CE Kennzeichnungspflicht nicht unterliegen. Etwas anderes mag im Hinblick auf sog. Elektrorollen gelten, die seit Umsetzung der EU Niederspannungsrichtlinie ab 4/ 2016 dieser Kennzeichnung bedürfen. Um diese per Elektromotor betriebenen Rollen geht es hier aber nicht.
Ich würde mich sehr freuen, von Ihnen eine konkrete Einschätzung zu erhalten.
Als Info der Hinweis auf folgende Links ( denen Sie entnehmen können, dass die Angelegenheit auf breiterer Ebene von Interesse ist):
http://www.fishing-for-men.de/showth...mport-%C3%84ra!
http://www.norwegen-angelforum.de/in...d-japan.58024/
MfG
RM
- Dozent für allg. Verwaltungsrecht und Strafrecht an der FHöV NRW
- leidenschaftlicher Angler seit mindestens 50 Jahren
Hier die Antwort:
Sehr geehrter Herr Müller,
Sie fragten nach rechtlichen Hintergründen bezüglich der ProdSV beim
Import von Angelrollen aus Japan. Dazu möchten wir anmerken, dass die
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin keine juristische
Einzelfallberatung übernehmen kann. Nach Rücksprache mit unserer
Fachgruppe können wir Ihnen jedoch folgendes mitteilen:
Der Eigenimport über das Internet bewegt sich momentan in einer
rechtlichen Grauzone. Grundsätzlich gilt das Produktsicherheitsgesetz nur,
wenn im Rahmen einer
Geschäftstätigkeit Produkte auf dem Markt bereitgestellt, ausgestellt oder
erstmals verwendet werden. Das ist z.B. bei Eigenimport von einzelnen
Produkten eigentlich nicht der Fall. Bei der Bestellung von mehreren
gleichartigen Angelrollen bzw.
einer Sammelbestellung könnte es rechtlich jedoch anders interpretiert
werden.
Allerdings gehen die EU-Kommission und die deutschen Behörden wohl davon
aus, dass die eigentliche gewerbliche Tätigkeit schon mit dem Anbieten des
Produktes im Internet ausgeführt wird. Der gewerbliche Anbieter müsste
erkennen dass die Bestellung aus der EU kommt und dementsprechend die Ware
den Bestimmungen der EU anpassen oder nicht zu versenden.
Ob dies rechtlich haltbar ist, können wir Ihnen nicht rechtssicher
mitteilen. Würden Sie die Angelrolle persönlich einführen (z.B. als
Urlaubsmitbringsel) wäre die Einfuhr (von Einzelstücken) kein Problem, da
dann die gewerbliche Abwicklung allein in einem Drittstaat erfolgt wäre
und die Einfuhr vom Produktsicherheitsgesetz nicht mehr umfasst würde.
Hier könnte der Zoll, wenn nicht andere Gründe dagegen sprechen - z.B.
CITES, Drogen etc. keine Einwendungen erheben, wenn die Ware ordnungsgemäß
verzollt würde.
Der Zoll und die Marktüberwachung bewegen sich im vorliegenden Fall aber
in einem zum Teil von der Rechtsprechung noch nicht gänzlich beurteilten
Raum. Es erscheint fraglich, ob sich die Erweiterung der Zuständigkeit mit
internationalem Recht deckt.
Insbesondere stellt die Gesetzgebung auf das Bereitstellen auf dem Markt
ab. Ob der Eigenimport für die eigene Verwendung eine Bereitstellung auf
dem Markt ist, ist nach unserem Kenntnisstand noch nicht geklärt. Somit
ist es Ihrer Einschätzung überlassen, ob Sie gegen die Maßnahmen des Zolls
den Rechtsweg beschreiten wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
Informationszentrum
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