AW: Live von Hidra - Mai 2011
Es ist ein wundervoller Tag. Die Sonne scheint. Kaum zu glauben, wie sehr, wie schnell sich das Wetter hier ändert. Die Fjorde sind wieder voller Wasser und wir optimistisch, dass auch neue Fische da sind. Ein leichter Wellengang, eine leichte Brise. Das Boot schaukelt heute angenehm über die Wellen. Es ist ein stetiges, sanftes Auf und Ab, das einem beim Pilken fast die Augen zufallen lässt. Männer müssen nicht viel reden, um glücklich zu sein. Das kommt erleichternd hinzu. Eine atemberaubende Stille herrscht hier draußen, eine Stille, die einen nicht nur an den Rand des Schlummerns bringt. Nein, es ist eine Stille, eine majestätische Stille, die zum Nachdenken verleitet. Ein halbes Leben könnte man so Revue passieren lassen. - Die Küste Hidras ist nur noch schemenhaft zu erkennen. Wir haben endlich den Weg zum Lista-Feld gewagt!
Kapetano und Garmin sitzen wie immer am Steuer. Und das ist gut so. Die beiden haben die Sache wirklich im Griff. Danke Ihr Zwei. Wenn wir Euch nicht hätten! Zielsicher steuern die beiden den ersten Hotspot an. Es ist eine Kante, die angeblich reichlich Fisch, „alle Arten“ bringen soll. Ich vermute, dass ich wieder mal das falsche Vorfach an der Rute habe. Hier mit dem legendären Spilker-Vorfach zu angeln, ist wohl doch nicht so zielführend. Wir wollen keine Köhler-Schwärme mehr vernichten. Wir wollen den Fisch unseres Lebens! Jawohl! Kapetano will das. Tommy will das. Marco will das. Und pilotti will das auch. – Ich erinnere mich daran, dass uns ein Troll mal geraten hat, dicke Köderfetzen an die Haken zu montieren. Genau das mache ich jetzt! Ich wähle einen 150 Gr. Speedy-Fish-Pilker, ziehe einen Köhler-Bauchlappen über den Drilling und hänge an den Seitenarm des Vorfachs noch ein schön flatterndes Filetstückchen… Das muss Appetit machen! Tommy und Kapetano entscheiden sich für einen 125er Pilker, silber-blau und einen Makk am Wirbel. Marco und Garmin übernehmen das Steuer. Wir sind bereit. „Wassertiefe 30 Meter, Fisch auf 45 Meter!!!!“ – Marco kann das richtig gut.
Es ist ein wundervoller Tag. Die Sonne scheint. Wir warten. Und warten. Tommy holt wieder ein und wechselt auf einen 200er Pilker. Rot-orange. Noch bevor er seine Montage wieder in die Fluten jagen kann, merke ich, dass sich etwas an meiner Rute tut. Hänger? Biss? Oder gar Hänger UND Biss??? Ich kurbele meine Penn Slammer ein paar Umdrehungen… Da! Ein harter Schlag. Was ist das? Mit dem, was ich bisher kennengelernt hatte, hat das hier nichts zu tun. Die Rute krümmt sich und jetzt weiß ich, dass sich etwas Außergewöhnliches tut. „He, ich hab’ einen!!!!“ Ein Raunen durchbricht die bis dahin alles überlagernde Stille. „Vow! Pilotti!!!!“ Ich versuche weitere Meter zu gewinnen, merke aber schnell, dass dieser Fisch es mir nicht einfach machen will. Oder ist es gar kein Fisch????? Ein Monster vielleicht???? Ein Wrack soll hier jedenfalls nicht liegen… Der Tiefenmesser sagt mir, dass mein Köder 36 Meter von mir entfernt ist. Ich drehe und drehe. Eine Welle lässt mich von Steuerbord nach Backbord rutschen… und befürchten, dass ich die Rute nicht mehr halten kann!! Was ist das???????? Ich drehe, drehe, drehe… es sind immer noch 33 Meter. „Ich schaff’ das nicht alleine!! Kapetanooooo!!!“ Kapetano kommt nach vorne zu mir gewankt. Er hält die Rute, während ich versuche Meter für Meter zu gewinnen. Plötzlich erwische ich mich bei dem Gedanken, dass so ein Köhler doch auch ein netter Fisch ist. Köhler-Fangen macht Spaß!!! Mein Rücken tut weh. Auch das noch! Hoffentlich hält Kapetano die Rute richtig fest. Das hier wird der Fisch meines Lebens!!! Hoffentlich beansprucht Kapetano nachher nicht die Hälfte für sich. Ich bin froh, dass ich gestern noch eine stärkere Geflochtene aufgespult habe. Sie scheint zu halten. Tommy und Marko fangen an zu jubeln. Auch sie merken, dass hier etwas schier Außergewöhnliches passiert. Kapetano und ich gewinnen Meter um Meter, der Tiefenmesser zeigt nur noch 12 Meter!!! Was werden wir hier gleich zu Gesicht bekommen??? Was wird dieses Etwas bloß denken, wenn es UNS sieht????? Es sind nur noch 3 Meter. Ich habe Rücken!!!!! Wir sitzen beide fast aufeinander. Kapetano und ich. Backbord. Meine linke Hand schmerzt vom Kurbeln. Wie lange denn noch? Kapetano ist der Erste, der einen großen hellen Fleck im Wasser entdeckt. „Da!“, schreit er. „Da kommt er!!!“ Tommy und Marco schmeißen ihre Ruten in die Halter und kommen zu uns nach Backbord gestürzt, gewankt, getorkelt. „Daaaa!“, schreien auch sie…. „Tommy!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!“, schreit Kapetano zurück. „Nicht alle auf eine Seite!!!!!!!!!!!!!!“ – Ein ohrenbetäubender Lärm!!! Ein Erdbeben! Ein unvorstellbarer Wasserfall kommt direkt auf mich zu! Übergießt mich! Wieder und wieder! – Mensch Marco, doch nicht um diese Uhrzeit!!!!
02:27 Uhr: Keine Ahnung, warum die Norweger die Kloschüssel genau an die Wand zum Schlafzimmer montieren… Marco! Doch nicht um diese Uhrzeit!!!
Fünfter Tag
Die Wettervorhersage stimmte mal wieder. Die Sonne schien den ganzen Tag, der Wind hielt sich mit 5 bis 6 m/s in Grenzen. Wir waren eigentlich zuversichtlich, dass wir heute gut angeln werden können. Doch schon um 8:20 Uhr, bei unserem ersten Versuch Grönnevika zu erreichen, mussten wir uns der Natur unterordnen. Mächtige Wellen türmten sich auf und machten ein Angeln völlig unmöglich. Ich dachte immer, dass die Stärke der Wellen in erster Linie vom Wind abhängt, musste mich hier aber eindeutig belehren lassen: Solche Wellen hatte ich bei dieser Windstärke noch nicht erlebt. Wir fuhren unsere sicheren, alt-bekannten Stellen an und konnten den ganzen Vormittag nicht einen einzigen Fisch ins Boot holen. Trost gab es nur durch zwei andere Angelboote, deren Besatzungen ebenfalls noch alle „Schneider“ waren…
Die Mittagszeit verbrachten wir mit Schläfchen (Kapetano), i-Phone-Spielchen (Marco), Rumdösen und Lesen (Tommy) sowie dem vergeblichen, fast schon verzweifelten Versuch vom Fischer gegenüber Reker zu bekommen (pilotti)…
Der Wetterbericht kündigte für 15 Uhr leicht abflauenden Wind an und so fassten wir den Entschluss, doch noch mal einen Hotspot anzusteuern. Da Grönevika nicht machbar und auch Halsbaen wahrscheinlich lebensgefährlich waren, entschieden wir uns für die Schären vor Rasvag. Hier würden wir sicherlich ein geschütztes Plätzchen finden. Der Entschluss an der Südküste Hidras, also auf dem kürzeren Weg dorthin zu fahren, war ein Fehler. Wir kamen nicht einmal bis zur ersten größeren „Links-Kurve“. Marco hat die Wellen todesmutig gefilmt. Wir haben also den Beweis!!! Ich habe wirklich keine Ahnung, wie hoch diese Dinger waren. Aber sie waren gigantisch. Unglaublich gigantisch. Wenn ich hier an dieser Stelle in den letzten Tagen von Drei-Meter-Wellen geschrieben habe, dann müssen das heute mindestens Sechs-Meter-Wellen gewesen sein. Ich weiß es nicht…. Wir mussten umdrehen. Es hätte sonst höchste Lebensgefahr bestanden. Ich hatte einen Höllen-Respekt.
Den ganzen Nachmittag fingen wir lediglich einen einzigen Köhler. Wir wissen nicht, woran es lag. Manchmal hatte ich das Gefühl, der Pilker fällt von Fischrücken auf Fischrücken auf Fischrücken und keine Gräte beißt an. Wir versuchten es mit selbst gebastelten Vorfächern, mit Köhlerfetzen, Makks, Pilkern, Reker-Attrappen und griffen schließlich völlig entnervt zu unserem legendären Spilker-Vorfach (Ja genau, das verstärkte Herings-Vorfach von Balzer!). Doch es blieb dabei. Ein einziger Köhler war unsere Ausbeute. Gefangen hat ihn Marco. Gegessen haben wir ihn aber zusammen.
Mir knurrt der Magen…
Mullion... äh... Hilsen natürlich!