toyfelchen
Member
Seit gut fünf Monaten schimpfe ich mich Mitglied bei euch Naffen und habe seitdem kein Wort verlauten lassen, von der Begrüßung und Vorstellung mal abgesehen.
Das soll sich nun ändern, denn ich habe endlich etwas zu berichten!
Jawohl! Nachdem ich im Dezember 2007 mit meinem 15 jährigen Sohn den Angelschein in Empfang nehmen durfte, mit allem dazugehörenden Wissen und Gedöns, begab ich mich mit Sohnemann und dem euch bekannten „Higjig“ auf Hochseeangeltour. Wohlgemerkt, es sollte mein erster Angeleinsatz werden, dem aufgrund technischer und praktischer Defizite zwei Tage zuvor erste Wurfübungen mit Rute und Blei vorausgingen.
Man stelle sich das wie folgt vor:
Higjig: „Das hier ist eine Rute. Der Faden da ist die Angelschnur und den ziehst du durch die Ringe. Wie – das geht nicht? Dann löse doch die Bremse an der Rolle!“
„Welche Rolle?“, frage ich.
„Ja, das Dingens, wo die Schnur aufgewickelt ist!“, bekam ich zur Antwort. Und nach wenigen Minuten:
„Finger weg – man man man, was hast du bloß beim Angelkurs gelernt? Die Bremse lösen, nicht die Rolle auseinander bauen, oder die Schnur per Hand abrollen. Wir fahren zum Hochseeangeln, nicht zum Fliegenfischen!“
Nachdem sehr viel später bei den Wurfübungen so ziemlich alles getroffen wurde, nur nicht der fiktive Zielpunkt, attestierte man mir, dass meine Bemühungen durchaus ausbaufähig seien. Im Ansatz gut, in der Ausführung.......Danke!
Nun zu dem denkwürdigen Angelausflug (am 11.03.2008) ab Kiel, Heikendorf mit dem Kutter MS-Forelle, (der Platz für 50 Angler bietet) Richtung Dänemark. Abfahrt 6:00 Uhr in der Frühe. Abfahrt zuhause um 02:15 Uhr morgens. Man gönnt sich ja sonst nichts! Und das ganze Theater nur, um die drei Ruten irgendwo an der Reling des Kutters so zu parken, damit man einen guten Platz inne hatte.
Im Dunkeln wurden die Ruten für ihren ersten Einsatz getrimmt: irgendwelche Bindfäden zwischen Knoten und Kunststoffperle drangetütelt, die am Ende mit einem auf einen recht großen, spitzendigen Angelhaken aufgezogenen, wabbeligen Madenvieh versehen waren. Beifänger nennt man das wohl im Fachjargon. Am Ende der Hauptschnur wurde per Wirbel eine bleischwere Fischimitation, sprich Pilker angebracht.
Soweit war mir die ganze Sache ja noch geheuer. Bloß – wie sollte man das ganze Geschirr per Überkopfwurf in die See bringen, wenn hinter und neben einem gerade mal ein Meter Platz war? Dann macht man eben keinen Überkopfwurf, sondern wirft aus dem Ellbogen heraus. Eine kurze Einweisung folgte, der ich nicht folgen konnte.
Lass das Blei einfach nach unten fallen, wir angeln eh nur über irgend welchen Wracks, vernahm ich. Auch gut. Mir war zu diesem Zeitpunkt so ziemlich alles recht, Hauptsache, ich bekam endlich einen Kaffee, um das komische Gefühl im Magen loszuwerden.
Der Kaffee wurde gegen 6:30 Uhr in dem schon recht bedenklich schaukelnden Salon und im Keller des Boots, der Haifischbar, von einem Mädchen für Alles (so titulierte sich Matthias selbst!) Kannen weise verteilt, samt etlicher Platten mit belegten Brötchen. Bei einer Anglerschar von über 40 Mann verringerte sich sehr schnell das Frühstück. Und wie über Lautsprecher zu hören war, gedachte der Kapitän um 7:00 Uhr das erste Wrack anzusteuern.
Ein Blick aus eines der Bullaugen der Kajüte ließ einen das frühe Aufstehen, die ewig lange Autofahrt zum Anlegeplatz der MS-Forelle vergessen. Die Kieler Bucht rauschte an einem vorbei, in der Ferne sah man aus Dänemark kommende Fährschiffe. Der Himmel versprach ein angenehmes Angelwetter mit versehentlichen Sonnenstrahlen und die See gebärdete sich halbwegs ruhig.
Dennoch - der extra angeheuerte zweite Schiffskoch lag bereits irgendwo im Bauch der MS-Forelle und würgte die letzten Kaffeereste heraus, ein Petrijünger nahm im Gesicht eine ungesunde Blässe an, zwei weitere folgten.
Der erste Stopp: ich nahm meine Rute zur Hand, verfolgte ganz genau, was Higjig mit seiner anstellte und siehe da: es klappte, bis auf die Tatsache, dass ich nicht nur eine Rute zu halten, sondern einen Wellengang von inzwischen einem Meter auszugleichen und dabei noch aufzupassen hatte, dass sich meine Schnur nicht mit der des Nebenmannes vertütelte, der aufgrund des Windes seinen Pilker in meine Wurfrichtung parkte.
Nach den ersten Entwirrungsversuchen ertönte ein Hupen: das Zeichen, die Ruten einzuholen und wieder festzubinden, da der Kutter wieder Fahrt aufnahm zum nächsten Wrack. Immerhin: zwei der dreiundvierzig Angler konnten je einen 50cm Dorsch landen und meine neu erworbene Angelbekleidung wurde standesrechtlich mit Neptuns Massen getauft. Und: mein Sohnemann wies eine etwas ungesunde Gesichtsfarbe auf.
Nach dem dritten Stopp, ich war inzwischen Profi im entwirren von Angelschnüren und Beifängern, sowie im entfernen von in der Haut festgehakten Angelhaken, deren einziges Lebensziel zu sein schien, mich zu traktieren und ihre Bösartigkeit permanent unter Beweis stellen zu müssen.
Mein Schuhwerk, das mir als hundert Prozent wasserdicht in Erinnerung geblieben war, sonst hätte ich nicht ausgerechnet diese netten Allwetterstiefel mitgenommen, entpuppte sich als wasserdicht: es ließ eingefangene Wassermassen nicht mehr nach draußen, so dass meine Füße von nun an einer Dauertaufe unterzogen wurden und merklich auskühlten. Da half alles nichts: ich verkroch mich bei Angelpausen nicht im Salon, oder der Bar unter Deck, sondern trotzte der tobenden MS-Forelle, deren Deck bereits zwei Altjüngern zum fallenden Verhängnis wurde. Sohnemann saß von nun an in irgendwelchen windgeschützten Ecken und beschäftigte sich damit, der Übelkeit Herr zu werden. Armer Junge! Er wird wohl nie wieder einen schlingernden Kutter betreten.
Nach dem x-ten Stopp gegen 11:00 Uhr, inzwischen hatten sich die Wannen der Angler ein wenig mit kleinen Dorschen gefüllt, kapitulierte ich aufgrund meiner nassen Füße und verschanzte mich im Salon mit Blick auf die Kombüse des Kutters. Mit geschätzten vier Quadratmetern Platz, bot sie dem kundigen Blick eines frischgetauften Petrijüngers bedenkliche Aussichten: wie zum Henker konnte Matthias in dieser Abstellkammer kochen, ohne dass der Inhalt der vier 10 Liter Pötte überschwappte, oder gar er selbst beim nächsten Wellental den Stand verlor?
Wir hatten inzwischen 1,50 Meter hohe Wellen, die Gischt peitschte über Bord und prallte an den Bullaugen ab, die draußen auf den Bänken sitzenden Angler verkeilten sich mit Händen und Füßen, um nicht den Kontakt zwischen Hosenboden und Bank zu verlieren. Der als Schiffskoch eingestellte Neue war immer noch nicht gesehen worden und hin und wieder hörte man trotz der leicht aufgewühlten See und dem Stampfen des Motors an Bord schwache Würgegeräusche.
Sohnemann hatte sich inzwischen bei mir eingefunden und litt tonlos. Seine Frage, wann wir wenden und gen Heimat tuckern würden, ging im Geschepper aus der Kombüse unter. Kurz vor Langeland wenden? Keine Wracks mehr ansteuern, die laut Kapitän Fischreichtum versprachen und man das Glück wahr nahm, davon wenigstens einen Dorsch zu landen, vielleicht auch zwei oder drei? Kein Geschaukel mehr, keine Übelkeit im Magen, keine nassen Füße? Nein! Ich wähnte mich tapfer und starrte aus dem Bullauge hinaus Richtung Horizont, der sich leicht grau präsentierte und schloss dann meine Augen.
Nach gut einer Stunde, ich hätte schwören können, nur fünf Minuten gedöst zu haben, hatte sich das Bild im Salon etwas geändert: inzwischen füllte er sich mit gestandenen Anglern, die auf Matthias Frage hin, ob sie zu Mittag essen wollen, eilends nach draußen stolperten.
Aber ich wollte: es gab ein ungarisches Gericht: Gulasch mit Sauerkraut und Salzkartoffeln, die Matthias mit viel Hingabe auf einem Suppenteller drapierte und anschließend zu mir hin jonglierte, ohne dass etwas daneben ging. Ich nahm den Teller in Empfang und balancierte ihn weiter aus, während ich versuchte, mit dem gereichten Löffel zu essen. Wellengang inzwischen einssiebzig. Ich rutschte auf dem Sitz herum. Das Mittagessen entwickelte auf dem Teller ein Eigenleben und befand sich auf der Flucht. „Petri Heil!“, schoss es mir durch den Kopf und enterte mit dem Löffel eine Kartoffel, die nach langem Umweg tatsächlich meinen Mund fand. „Petri Dank!“
Sohnemann hatte gerade mal zwei Bissen zu sich genommen und stürzte dann grußlos zur Reling. Neptuns Massen forderten nun endgültig ihren Tribut. Eine schmale Sitzbank, die drei schmäleren Anglerhintern Platz bot, wurde anschließend zu einem Siechenlager umfunktioniert.
Nachdem auch die letzten Petrijünger den Kampf um ihr Mittagessen erfolgreich gewonnen hatten – nur ca. zwei drittel der Anwesenden stillten ihren Hunger, der Rest fütterte wohl wiederholt die See, verließen bis auf zehn Mann den Salon, um doch noch einen erfolgreichen Angeltag zu absolvieren. Die sitzen gebliebenen schmollten über das Wetter, die raue See, den wenigen Fisch und über Angler, die ihre Schnüre nicht unter Kontrolle hatten und für ein reges Verwirrungsspiel sorgten. Für sie galt der Angeltag als beendet.
Gegen 15:00 Uhr hatten wir zwei Meter hohe Wellen, der Himmel hatte sich bleigrau bezogen und versprach eine kräftige Dusche von oben. Wir befanden uns auf dem Rückweg und zu den nächsten südwestliche gelegenen Wracks. Kurz vor 16:00 Uhr hielten wir zum letzten Mal. Doch auch hier präsentierte sich der geortete Fisch als beißunwillig. Im Salon brandete eine heiße Diskussion darüber, warum sich der Dorsch nicht fangen lassen wollte.
Am Wasser- und Luftdruck würde es liegen, an der Wassertemperatur, am Seegang und womöglich auch daran, dass der Winter mal wieder zu mild war und der Dorsch nicht ablaichen könnte. Andererseits wäre es zu kalt, so dass der Fisch seinen Betrieb auf Stand by gestellt hatte und keinen Hunger verspüren würde. Der große Fisch sei sonst wo und die kleineren, vorhandenen Exemplare hätten wohl keine Lust auf gelbe, grüne, blaue Pilker oder wabbelige Beifänger, die falsch oder schlecht von der Anglerhand geführt wurden.
Und das ganze soll eine Wissenschaft sein? Wie viele Komponenten so ein Angler doch zu beachten hat, um ein anständiges Stück Fisch auf den Teller zu bekommen! Zumindest verstand ich spätestens bei diesen Gesprächen, dass Angeln zwar mit Können und Erfahrung einher gehen muss, jedoch meiner Ansicht nach auch eine Glückssache darstellt.
Und noch etwas benebelte meinen Verstand, nachdem mir Matthias einen speziellen Kaffee kredenzt hatte: nie wieder werde ich mit wasserdurchlässigem Schuhwerk einen Kutter betreten.
Froh war ich am Ende darüber, dass der erlebte Tag auf der Forelle ein Ausnahmetag war. Ausnahme dahingehend, dass man höchst selten mit solch einem Wellengang zu kämpfen hatte, so dass sogar gestandene Angler schwächelten.
Gefangen hatte ich absolut nichts, aber auch Neptun nichts geschenkt. Standhaft bin ich geblieben, um Erfahrungen reicher geworden und um die Erkenntnis: ich gehe wieder aufs Boot. Jederzeit! Bei jedem Wellengang! Mit guten Schuhen!
Allseits Petri Heil und für das nächste Mal hart am Fisch und nicht hart an der Reling!
Das nächste Mal? Vom 30. April bis 04. Mai 2008 gen Norwegen.
Toyfelchen (Martina)
Das soll sich nun ändern, denn ich habe endlich etwas zu berichten!
Jawohl! Nachdem ich im Dezember 2007 mit meinem 15 jährigen Sohn den Angelschein in Empfang nehmen durfte, mit allem dazugehörenden Wissen und Gedöns, begab ich mich mit Sohnemann und dem euch bekannten „Higjig“ auf Hochseeangeltour. Wohlgemerkt, es sollte mein erster Angeleinsatz werden, dem aufgrund technischer und praktischer Defizite zwei Tage zuvor erste Wurfübungen mit Rute und Blei vorausgingen.
Man stelle sich das wie folgt vor:
Higjig: „Das hier ist eine Rute. Der Faden da ist die Angelschnur und den ziehst du durch die Ringe. Wie – das geht nicht? Dann löse doch die Bremse an der Rolle!“
„Welche Rolle?“, frage ich.
„Ja, das Dingens, wo die Schnur aufgewickelt ist!“, bekam ich zur Antwort. Und nach wenigen Minuten:
„Finger weg – man man man, was hast du bloß beim Angelkurs gelernt? Die Bremse lösen, nicht die Rolle auseinander bauen, oder die Schnur per Hand abrollen. Wir fahren zum Hochseeangeln, nicht zum Fliegenfischen!“
Nachdem sehr viel später bei den Wurfübungen so ziemlich alles getroffen wurde, nur nicht der fiktive Zielpunkt, attestierte man mir, dass meine Bemühungen durchaus ausbaufähig seien. Im Ansatz gut, in der Ausführung.......Danke!
Nun zu dem denkwürdigen Angelausflug (am 11.03.2008) ab Kiel, Heikendorf mit dem Kutter MS-Forelle, (der Platz für 50 Angler bietet) Richtung Dänemark. Abfahrt 6:00 Uhr in der Frühe. Abfahrt zuhause um 02:15 Uhr morgens. Man gönnt sich ja sonst nichts! Und das ganze Theater nur, um die drei Ruten irgendwo an der Reling des Kutters so zu parken, damit man einen guten Platz inne hatte.
Im Dunkeln wurden die Ruten für ihren ersten Einsatz getrimmt: irgendwelche Bindfäden zwischen Knoten und Kunststoffperle drangetütelt, die am Ende mit einem auf einen recht großen, spitzendigen Angelhaken aufgezogenen, wabbeligen Madenvieh versehen waren. Beifänger nennt man das wohl im Fachjargon. Am Ende der Hauptschnur wurde per Wirbel eine bleischwere Fischimitation, sprich Pilker angebracht.
Soweit war mir die ganze Sache ja noch geheuer. Bloß – wie sollte man das ganze Geschirr per Überkopfwurf in die See bringen, wenn hinter und neben einem gerade mal ein Meter Platz war? Dann macht man eben keinen Überkopfwurf, sondern wirft aus dem Ellbogen heraus. Eine kurze Einweisung folgte, der ich nicht folgen konnte.
Lass das Blei einfach nach unten fallen, wir angeln eh nur über irgend welchen Wracks, vernahm ich. Auch gut. Mir war zu diesem Zeitpunkt so ziemlich alles recht, Hauptsache, ich bekam endlich einen Kaffee, um das komische Gefühl im Magen loszuwerden.
Der Kaffee wurde gegen 6:30 Uhr in dem schon recht bedenklich schaukelnden Salon und im Keller des Boots, der Haifischbar, von einem Mädchen für Alles (so titulierte sich Matthias selbst!) Kannen weise verteilt, samt etlicher Platten mit belegten Brötchen. Bei einer Anglerschar von über 40 Mann verringerte sich sehr schnell das Frühstück. Und wie über Lautsprecher zu hören war, gedachte der Kapitän um 7:00 Uhr das erste Wrack anzusteuern.
Ein Blick aus eines der Bullaugen der Kajüte ließ einen das frühe Aufstehen, die ewig lange Autofahrt zum Anlegeplatz der MS-Forelle vergessen. Die Kieler Bucht rauschte an einem vorbei, in der Ferne sah man aus Dänemark kommende Fährschiffe. Der Himmel versprach ein angenehmes Angelwetter mit versehentlichen Sonnenstrahlen und die See gebärdete sich halbwegs ruhig.
Dennoch - der extra angeheuerte zweite Schiffskoch lag bereits irgendwo im Bauch der MS-Forelle und würgte die letzten Kaffeereste heraus, ein Petrijünger nahm im Gesicht eine ungesunde Blässe an, zwei weitere folgten.
Der erste Stopp: ich nahm meine Rute zur Hand, verfolgte ganz genau, was Higjig mit seiner anstellte und siehe da: es klappte, bis auf die Tatsache, dass ich nicht nur eine Rute zu halten, sondern einen Wellengang von inzwischen einem Meter auszugleichen und dabei noch aufzupassen hatte, dass sich meine Schnur nicht mit der des Nebenmannes vertütelte, der aufgrund des Windes seinen Pilker in meine Wurfrichtung parkte.
Nach den ersten Entwirrungsversuchen ertönte ein Hupen: das Zeichen, die Ruten einzuholen und wieder festzubinden, da der Kutter wieder Fahrt aufnahm zum nächsten Wrack. Immerhin: zwei der dreiundvierzig Angler konnten je einen 50cm Dorsch landen und meine neu erworbene Angelbekleidung wurde standesrechtlich mit Neptuns Massen getauft. Und: mein Sohnemann wies eine etwas ungesunde Gesichtsfarbe auf.
Nach dem dritten Stopp, ich war inzwischen Profi im entwirren von Angelschnüren und Beifängern, sowie im entfernen von in der Haut festgehakten Angelhaken, deren einziges Lebensziel zu sein schien, mich zu traktieren und ihre Bösartigkeit permanent unter Beweis stellen zu müssen.
Mein Schuhwerk, das mir als hundert Prozent wasserdicht in Erinnerung geblieben war, sonst hätte ich nicht ausgerechnet diese netten Allwetterstiefel mitgenommen, entpuppte sich als wasserdicht: es ließ eingefangene Wassermassen nicht mehr nach draußen, so dass meine Füße von nun an einer Dauertaufe unterzogen wurden und merklich auskühlten. Da half alles nichts: ich verkroch mich bei Angelpausen nicht im Salon, oder der Bar unter Deck, sondern trotzte der tobenden MS-Forelle, deren Deck bereits zwei Altjüngern zum fallenden Verhängnis wurde. Sohnemann saß von nun an in irgendwelchen windgeschützten Ecken und beschäftigte sich damit, der Übelkeit Herr zu werden. Armer Junge! Er wird wohl nie wieder einen schlingernden Kutter betreten.
Nach dem x-ten Stopp gegen 11:00 Uhr, inzwischen hatten sich die Wannen der Angler ein wenig mit kleinen Dorschen gefüllt, kapitulierte ich aufgrund meiner nassen Füße und verschanzte mich im Salon mit Blick auf die Kombüse des Kutters. Mit geschätzten vier Quadratmetern Platz, bot sie dem kundigen Blick eines frischgetauften Petrijüngers bedenkliche Aussichten: wie zum Henker konnte Matthias in dieser Abstellkammer kochen, ohne dass der Inhalt der vier 10 Liter Pötte überschwappte, oder gar er selbst beim nächsten Wellental den Stand verlor?
Wir hatten inzwischen 1,50 Meter hohe Wellen, die Gischt peitschte über Bord und prallte an den Bullaugen ab, die draußen auf den Bänken sitzenden Angler verkeilten sich mit Händen und Füßen, um nicht den Kontakt zwischen Hosenboden und Bank zu verlieren. Der als Schiffskoch eingestellte Neue war immer noch nicht gesehen worden und hin und wieder hörte man trotz der leicht aufgewühlten See und dem Stampfen des Motors an Bord schwache Würgegeräusche.
Sohnemann hatte sich inzwischen bei mir eingefunden und litt tonlos. Seine Frage, wann wir wenden und gen Heimat tuckern würden, ging im Geschepper aus der Kombüse unter. Kurz vor Langeland wenden? Keine Wracks mehr ansteuern, die laut Kapitän Fischreichtum versprachen und man das Glück wahr nahm, davon wenigstens einen Dorsch zu landen, vielleicht auch zwei oder drei? Kein Geschaukel mehr, keine Übelkeit im Magen, keine nassen Füße? Nein! Ich wähnte mich tapfer und starrte aus dem Bullauge hinaus Richtung Horizont, der sich leicht grau präsentierte und schloss dann meine Augen.
Nach gut einer Stunde, ich hätte schwören können, nur fünf Minuten gedöst zu haben, hatte sich das Bild im Salon etwas geändert: inzwischen füllte er sich mit gestandenen Anglern, die auf Matthias Frage hin, ob sie zu Mittag essen wollen, eilends nach draußen stolperten.
Aber ich wollte: es gab ein ungarisches Gericht: Gulasch mit Sauerkraut und Salzkartoffeln, die Matthias mit viel Hingabe auf einem Suppenteller drapierte und anschließend zu mir hin jonglierte, ohne dass etwas daneben ging. Ich nahm den Teller in Empfang und balancierte ihn weiter aus, während ich versuchte, mit dem gereichten Löffel zu essen. Wellengang inzwischen einssiebzig. Ich rutschte auf dem Sitz herum. Das Mittagessen entwickelte auf dem Teller ein Eigenleben und befand sich auf der Flucht. „Petri Heil!“, schoss es mir durch den Kopf und enterte mit dem Löffel eine Kartoffel, die nach langem Umweg tatsächlich meinen Mund fand. „Petri Dank!“
Sohnemann hatte gerade mal zwei Bissen zu sich genommen und stürzte dann grußlos zur Reling. Neptuns Massen forderten nun endgültig ihren Tribut. Eine schmale Sitzbank, die drei schmäleren Anglerhintern Platz bot, wurde anschließend zu einem Siechenlager umfunktioniert.
Nachdem auch die letzten Petrijünger den Kampf um ihr Mittagessen erfolgreich gewonnen hatten – nur ca. zwei drittel der Anwesenden stillten ihren Hunger, der Rest fütterte wohl wiederholt die See, verließen bis auf zehn Mann den Salon, um doch noch einen erfolgreichen Angeltag zu absolvieren. Die sitzen gebliebenen schmollten über das Wetter, die raue See, den wenigen Fisch und über Angler, die ihre Schnüre nicht unter Kontrolle hatten und für ein reges Verwirrungsspiel sorgten. Für sie galt der Angeltag als beendet.
Gegen 15:00 Uhr hatten wir zwei Meter hohe Wellen, der Himmel hatte sich bleigrau bezogen und versprach eine kräftige Dusche von oben. Wir befanden uns auf dem Rückweg und zu den nächsten südwestliche gelegenen Wracks. Kurz vor 16:00 Uhr hielten wir zum letzten Mal. Doch auch hier präsentierte sich der geortete Fisch als beißunwillig. Im Salon brandete eine heiße Diskussion darüber, warum sich der Dorsch nicht fangen lassen wollte.
Am Wasser- und Luftdruck würde es liegen, an der Wassertemperatur, am Seegang und womöglich auch daran, dass der Winter mal wieder zu mild war und der Dorsch nicht ablaichen könnte. Andererseits wäre es zu kalt, so dass der Fisch seinen Betrieb auf Stand by gestellt hatte und keinen Hunger verspüren würde. Der große Fisch sei sonst wo und die kleineren, vorhandenen Exemplare hätten wohl keine Lust auf gelbe, grüne, blaue Pilker oder wabbelige Beifänger, die falsch oder schlecht von der Anglerhand geführt wurden.
Und das ganze soll eine Wissenschaft sein? Wie viele Komponenten so ein Angler doch zu beachten hat, um ein anständiges Stück Fisch auf den Teller zu bekommen! Zumindest verstand ich spätestens bei diesen Gesprächen, dass Angeln zwar mit Können und Erfahrung einher gehen muss, jedoch meiner Ansicht nach auch eine Glückssache darstellt.
Und noch etwas benebelte meinen Verstand, nachdem mir Matthias einen speziellen Kaffee kredenzt hatte: nie wieder werde ich mit wasserdurchlässigem Schuhwerk einen Kutter betreten.
Froh war ich am Ende darüber, dass der erlebte Tag auf der Forelle ein Ausnahmetag war. Ausnahme dahingehend, dass man höchst selten mit solch einem Wellengang zu kämpfen hatte, so dass sogar gestandene Angler schwächelten.
Gefangen hatte ich absolut nichts, aber auch Neptun nichts geschenkt. Standhaft bin ich geblieben, um Erfahrungen reicher geworden und um die Erkenntnis: ich gehe wieder aufs Boot. Jederzeit! Bei jedem Wellengang! Mit guten Schuhen!
Allseits Petri Heil und für das nächste Mal hart am Fisch und nicht hart an der Reling!
Das nächste Mal? Vom 30. April bis 04. Mai 2008 gen Norwegen.
Toyfelchen (Martina)