Rotbarsch

tauchprojekt.de

Nordlicht
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11 Juni 2007
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Alter
45
Ort
Utvorda/Flatanger (N-Trøndelag)
Website
www.nord-flatanger.no
Saison hier in Flatanger offiziell beendet, da will ich mich endlich mal wieder mit einigen Einblicken in die Unterwasserwelt melden. Den Anfang macht der Rotbarsch, da ja aktuell auch an anderer Stelle im Forum in der Diskussion.


Der Methusalem aus der Tiefe

Laut der Bibel wurde Methusalem stolze 969 Jahre alt und Zeugte dabei noch beinahe bis zum Schluss Kinder. Eine respektable Leistung an welche der Rotbarsch zugegebener Maßen nicht herankommt. Dennoch können die äußerst hübschen und schmackhaften Fische ein beachtliches Alter erreichen und sie sind nicht nur rein farbliche eine spannende Bereicherung für die Fischkiste. Sven Gust ist einigen der stacheligen Gesellen unter Wasser Begegnet und hat interessante Beobachtungen aus dem Leben des Rotbarsches zu berichten.

Es gibt zwei Rotbarscharten, mit denen wohl jeder ambitionierte Meeresangler in Norwegen früher oder später in Kontakt kommt (bei eben diesem „in Kontakt kommen“ ist übrigens auch gewisse Vorsicht geboten, aber dazu später mehr!) . Dabei ist der Sebastes norvegicus ein beliebter Zielfisch, während der kleine Bruder Sebastes viviparus eher als ungewollter Beifang am Haken landet. Auf der amerikanischen Seite des Atlantiks und gelegentlich bis Island gibt es zudem noch den maximal 30 Zentimeter langen Sebastes fasciatus, sowie um Grönland die arktische Tiefseeart Sebastes mentella. Besonders aus dem Skagerrak/Südnorwegen werden auch hin und wieder von Sportanglern Fänge des verwandten Blaumäulchens (Helicolenus dactylopterus) vermeldet. Die Familie der Barschartigen umfasst weltweit hingegen sogar mehr als 10.000 Arten – eine unglaubliche Zahl.
Der „Große“ Rotbarsch (norvegicus) ist gewöhnlich in Wassertiefen von mehr als 100 Metern anzutreffen, während der „Kleine“ Rotbarsch (viviparus) auch schon vielerorts in 20 Metern und weniger auftritt. Die beiden Arten teilen sich aber teilweise auch den Lebensraum und sind teils nur schwer voneinander zu unterscheiden, wobei der kleine Rotbarsch – wie sich erahnen lässt – maximal 35 cm lang wird, während der große Bruder durchaus die Metergrenze sprengen kann. Diese gigantischen Größen werden aber nur noch äußerst selten erreicht. Fische von 70 Zentimetern und mehr dürfen durchaus schon als kapital gelten. Durchschnittsgrößen von 40 bis 50 Zentimetern sind in vielen Regionen gewöhnlich. Fische gleicher, bzw. ähnlicher Größe bilden häufig dichte Schwärme, die sich gern an Tiefseeriffen, Unterwasserbergen und Steilwänden aufhalten. Wer hier eine Punktlandung am richtigen Platz und zur richtigen Zeit landet wird reich belohnt mit dem roten Gold aus der Tiefe. Ansonsten kann die Rotbarschangelei auch eher eine frustrierende Erfahrung sein, zumal die zu befischenden Wassertiefen von oft 150 Metern+ ohne Elektromulti schnell zur schweißtreibenden Arbeit werden.
Doch zurück zum Fisch selbst, seinem Lebensraum und seinen Besonderheiten. Rotbarsche bevorzugen allgemein die Bodennähe, jedoch kommt es auch nicht selten vor, dass sie bis zu 50 Meter und mehr über dem Meeresgrund „stehen“. Ihre Nahrung besteht aus Schwarmfischen, wie beispielsweise der Lodde und dem Hering. Ein sehr wichtiger Bestandteil ist aber auch der Krill und selbstverständlich werden auch Tiefseefischarten, wie beispielsweise der Laternenfisch nicht verschmäht. Letztlich ist der Rotbarsch ein echtes Großmaul und in der Tiefsee sind die meisten Fische ohnehin nicht besonders wählerisch. Wie eingangs erwähnt sind große Rotbarsche gewöhnlich „steinalt“. Wenigstens 60 Jahre gelten als Bestätigt. Bis zu 80 Jahre alte Rotbarsche dürften aber auch gelegentlich in den Netzen und an den Haken landen. Die Fische wachsen folglich sehr langsam, was die Bestände somit auch besonders anfällig gegen Überfischung macht. Mit Schleppnetzen werden komplette Schwärme abgefischt, aber auch stark frequentierte Angelplätze können recht schnell „leergeräumt“ werden.
Somit gilt der Rotbarsch heute als stark gefährdete Fischart, deren Zukunft aktuell noch ungewiss aussieht und hat einen festen Platz auf den roten Listen aller großen Umweltschutzverbände. Doch „Catch&Release“ ist natürlich bei solchen Tiefseespezies undenkbar und somit sollten wir Angler versuchen dem roten Stachelritter maßvoll nachzustellen um zu vermeiden selbst einen Negativbeitrag an dieser traurigen Entwicklung zu leisten!

Sowohl der kleine als auch der große Rotbarsch sind lebend gebärend. Die Paarungszeit unterscheidet sich regional und kann im Spätsommer, oder auch im Herbst und Winter liegen. Die wichtigsten Geburtsplätze liegen zwischen Island und Grönland und vor der Küste Nordnorwegens, wo sich die Weibchen versammeln um im Schnitt etwa 100.000 bis 200.000 Fischlarven von etwa 8mm Länge auf die Welt zu bringen. Eine Anzahl die zunächst gewaltig erscheint, doch bedenkt man das äußerst langsame Wachstum, so kann man auch erahnen wie wenige der Fischlein die gefahrvollen ersten Lebensmonate und Jahre überstehen. Ihre erste Lebensphase verbringen sie dabei pelagisch in den oberflächennahen Wasserschichten. Mit einer Länge von ca. 4 bis 5 Zentimetern wandern sie anschließend an den Meeresgrund. Erstmalig geschlechtsreif werden die Fische mit einem Alter von etwa 10 bis 12 Jahren!

Wie bereits angedeutet sollte man beim Umgang mit dem Rotbarsch ein wenig Vorsicht walten lassen. Sowohl Rückenstacheln, als auch Kiemendornen sorgen für unangenehme Überraschungen. Schmerzhafte Stiche sind dabei nicht nur unangenehm, sondern können auch zu ernsthafteren Folgen führen. Entzündungen, Blutvergiftungen (selbst erlebt!) und allergische Reaktionen sind nicht selten und können wenigstens zu einem ungewollten Abbruch des Angelurlaubs führen. Neben dem sorgfältigen Entfernen möglicher Stachelreste aus der Wunde und dem Ausbluten gilt bei solchen Verletzungen die Augenflüssigkeit des Rotbarsches als Geheimwaffe. Sie soll möglichst umgehend und großzügig auf die Wunde gerieben werden. Eine Maßnahme die zu mindestens nicht schaden kann!

Doch abgesehen von diesem etwas unangenehmen Selbstverteidigungsmechanismus ist der Rotbarsch eigentlich ein ganz sympathischer Zeitgenosse. Und auch wenn die norwegischen Goldfische keine großen Kämpfer sind und in den allermeisten Fällen auch keine Rekordgrößen erreichen, so ist der Rotbarsch doch auf der Wunschliste der allermeisten Norwegenangler ganz weit oben zu finden. Und das nicht zu Unrecht, wie ich finde. Und wem die knallige Farbe der fotogenen Fische und die Herausforderung einen Rotbarschspot zu suchen und zu finden noch nicht als Motivation ausreichen – spätestens wenn man einmal warm geräucherten Rotbarsch oder leicht gesalzenen Rotbarsch frisch aus dem Ofen probiert hat, so wird man künftig wohl bei jeder Norwegenreise einen Angeltag, oder wenigstens einige Studen, reservieren um dem goldigen Methusalem aus der Tiefe nachzustellen!

Sebastes norvegicus (ASCANIUS 1772) und Sebastes viviparus (KRØYER 1845)
Ordnung: Barschartige (Perciformes)
Unterordnung: Drachenkopfverwandte (Scorpaenoidei)
Familie: Stachelköpfe (Sebastidae)
Gattung: Sebastes


Fotos: Großer Rotbarsch, Blaumäulchen (UW), Kleiner Rotbarsch (am Korallenriff), Kleiner Rotbarsch (Schwarm), Großer Rotbarsch (Fang/Full house)
 

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