RB 8 - 2012, Trondheimsleia 2012

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NAF TEAM

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Trondheimsleia 2012 oder Norwegenreisen sind etwas ganz besonderes.


Sie verströmen schon weit im voraus ein besonderes Flair. Zum Beispiel besonders früh mit den Planungen zu beginnen, besonders intensiv die Rute zu planen, besonders viel über das Angelrevier zu recherchieren, besonders lange und ungeduldig darauf zu warten, und besonders viel zu träumen.

Genauso war es auch dieses Jahr wieder. Kaum war die Weihnachtsgans verspeist, glühten beim Telefonanbieter auch schon die Drähte. Unterkunft buchen, Fähre klar machen, unzählige Mails hin und her schicken, Boot aussuchen, und in der Firma untertänigst um jede Menge Urlaub bitten.

Dann war es geschafft. Der Plan stand. Nach zwei Jahren Norgeabstinenz sollte es das erste Mal auf die sagenumwobene Insel Hitra gehen. Freunde von uns hatten im letzten Jahr mit dem Wohnwagen Station auf einem Campingplatz bei Vagen gemacht, und waren begeistert. Da wir aber keine ausgesprochenen Campingurlauber sind, hatten wir kurzerhand eine schöne Hütte für uns zwei gebucht, und Frank , Heike und die Kids wollten wieder mit dem Wohnwagen anreisen. Jetzt kam der schwierigste Teil. W A R T E N . In dieser Zeit erschienen mir nachts Dorsche die beim Landen das Gaff aufbogen, Lengs für die erst ein passender Zollstock angefertigt werden musste, und Lachse deren Räuchervorgang ganze Wälder verschlang. Alpträume eines Anglers eben.

Am 09.08. war es dann doch soweit. Das Auto stand gepackt vor der Tür und gegen 06.00 Uhr ging es in der Nähe von Erding endlich los. Nach etwa 300 km, von jeder Umkehrmöglichkeit befreit, schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Hatte ich die abends noch eilig gebratenen acht Rinderrouladen eingepackt??? Meine Frau bemerkte meinen ängstlichen Blick, konnte aber nach kurzem Überlegen die Anwesenheit der Fleischrollen nicht bestätigen. Sie hatte die Rouladen in eine Himbeereisdose verpackt, und ich hatte die Dose für solches gehalten und in die Truhe zurückgestellt. Den Rest der Fahrt verbrachte ich damit mir einzureden, welchen Schaden die fettige Fleischspeise meinem Körper zugefügt hätte, und überhaupt, Rinderroulade mit Pfifferlingen gebraten, in dicker brauner Soße mit Rotkohl und Klößen – Pfui Teufel.

1270 km. Endlich in Hirthals. Die Superspeed 2 war superpünktlich und wir begannen das Schiff zu inspizieren. Ein sehr nettes Böötchen . Die, bei früheren Anreisen genutzte, und zur selben Zeit wie die Arche Noah gebaute, MS Bergensfjord nimmt sich dagegen wie ein Blecheimer mit Schlaffunktion aus. Was aber gleichblieb, war dieses besondere Gefühl im Urlaub angekommen zu sein. Das Gefühl , das die Nordsee eine unüberwindliche Barriere für all die bösen Alltagsgeister ist, und somit stand ich wieder am Heck, und sah zu wie Stress , Hektik, und die Sorgen des letzten Jahres im Kielwasser des Schiffes verschwammen.

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Die Überfahrt verlief ruhig und reibungslos, was wohl auch dem Umstand zu verdanken war, daß italienische Kapitäne in Norwegen die Ausnahme sind. Was mich aber wunderte war, daß die Ausfahrt aus der Fähre so schleppend ging. Gab es ein Problem mit den Landungsbrücken? Sprang irgendwo ein Auto nicht an? Hatte man unser Deck vergessen? Kaum von der Fähre runter bestätigte sich ein schlimmer Verdacht. Gestalten, die wild mit beleuchteten Signalstäben fuchtelten , ließen darauf schließen, das der Zoll zum Großangriff auf die touristischen Biervorräte geblasen hatte. Ein kalter Schauer lief mir bei dem Gedanken den Rücken hinunter, daß dies ein sehr teurer oder sehr trockener Urlaub werden könnte. Meine Frau hatte unter großem Einsatz einige 6 er Gebinde Bier von der Ladenkette „ Feinkost Albrecht“ besorgt, wobei die Menge etwas üppiger, aber strafrechtlich nicht relevant war. Auch einige Tetrapacks Orangensaft waren ihres Originalinhaltes beraubt, und eine Kostprobe daraus, hätte dem Zollbeamten die Dienstfähigkeit kosten können. Also Ruhe bewahren! Ich versuchte seriös auszusehen , und machte ein Gesicht wie der griechische Präsident bei der Übergabe eines Rettungspaketes – und geschafft. Durchatmen.

Also ging es erstmal Richtung Oslo, das wollten wir noch hinter uns lassen, um dann ein paar Stunden zu schlafen. Anscheinend haben die Norweger ihre Liebe zum Straßenbau entdeckt, denn Baustellen begleiteten unseren Weg, und ein Ende war nicht abzusehen. Nach Oslo durchkreuzte einsetzender Regen unsere Pläne. Wollten wir wirklich bei Dauerregen und mit Kopflampen irgendwo ein Zelt aufbauen? Jana fürchtete um ihre Frisur und mich plagte eine gewisse Lustlosigkeit. Also eine Dose mit Gummibärchenbrause aus Österreich öffnen, und weiter ging es. Entweder hörte der Regen auf, oder wir mussten im Auto schlafen.
Wir fuhren auf Empfehlung die E6 und landschaftlich war das auch eine gute Wahl, es wurde langsam hell und es kam Lillehammer, es folgten Dombas und Oppdal und was soll ich sagen, um 13.15 Uhr tauchten wir in den Hitratunnel ein und hatten es geschafft. 2140 km am Stück. Verrückt.

Angekommen war unsere gebuchte Hütte noch nicht frei, aber nach freundlicher Begrüßung durch den Campingplatzbetreiber Jan, fanden wir bis zum nächsten Morgen Unterschlupf in einer der typischen Norwegischen „ Hütter“ also einem, sagen wir mal „überdachtem Bett“. Egal, es war trocken und ich war langsam müde.

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Am nächsten Tag hatte wenigstens der Regen aufgehört. Unser 17 Fuß , 15 PS Boot stand bereit, und wir wagten eine erste Erkundungstour. Aber kurz nach den vorgelagerten Inselchen war das Wasser noch zu sehr in Bewegung. Ein paar Pilkversuche, aber irgendwie war das wie Fahrstuhlfahren, und irgendwie
nicht sonderlich entspannend, wenn das Wasser ständig ins Boot will. Also umkehren und ab ins Trockene.
Wäre es schlimm für Euch, wenn ich jetzt zum Thema Angeln kommen würde?

Unsere Frauen sind sehr verständnisvoll, reagieren aber leicht angesäuert, wenn wir von morgens bis abends auf dem Wasser sind, und zum filetieren den Schlafsack mitnehmen. Deshalb haben wir uns auf einen „ leicht angellastigen Familienurlaub“ geeinigt.
Mit vier Stunden pro Tag hatten die Mädels kein Problem, und wir mittlerweile auch nicht. Angeln wir eben etwas schneller. Also am nächsten Morgen frühstücken, und nichts wie raus. Naturköderangeln sollte erste Erfolge bringen. Wir angelten mit Seitenarmmontagen und halben Makrelen hart am Grund. Ein gelegentliches zuppeln , verriet das unsere Köder Beachtung fanden. Irgendwann wurde es mir zu bunt, ich schlug an, und voll ins leere. Köderkontrolle! Irgendein Fisch hatte seinen Zahnstatus auf der Makrele hinterlassen. Nur welcher? Es braucht halt seine Zeit, in einem völlig neuen Revier erfolgreich zu sein. Beim nächsten Biss ließ ich mir mehr Zeit, wartete bis die Rutenspitze energisch nach unten gezogen wurde. Wieder Anschlag. Diesmal sitzt er, aber der Widerstand lässt wenig hoffen. Meine Drillmuskeln sind noch kalt, oder gar nicht mehr vorhanden, und so strengen 110 m ganz schön an. Silbrig braun schimmert ein Fisch unter der Oberfläche. Hurra Seehecht. Unser erster überhaupt. Und mit 75 cm ein guter.
Da wir keine Spezialisten sind, war es uns auch völlig Wurst was nach oben kam. Hauptsache wir hatten Spaß und krumme Ruten. Bei einer Sache waren wir uns aber einig. Dieses Jahr musste die Metermarke fallen. Wo, wenn nicht auf Hitra?

Frank hatte sich allerdings heimtückisch einen Wettbewerbsvorteil verschafft, und eine Elektrorolle angeschafft. Und er nutzte das auch schamlos aus. Denn jetzt war er an der Reihe. Anhieb sitzt. Irgendetwas schlägt gegen die Schnur, während der E-Motor etwas nach oben befördert. Hurra, ein schöner Lump um die 70cm. Auch unser erster überhaupt. Das ganze wiederholte er genau noch zwei mal, innerhalb einer halben Stunde. Toll.
Aber auch ich durfte nochmal kräftig zupacken. Zack und sitzt. Diesmal hatte ich etwas mehr Gegenwehr und kurz darauf hing ein schöner Seehecht, mit 95cm am Gaff. Am zweiten Tag schon fünf schöne Fische, das hatten wir noch nie. So konnte es weitergehen.

Und es ging so weiter. Ich erspare Euch an dieser Stelle von jedem einzelnen Tag zu berichten. Es ging im großen und ganzen so weiter, Zwei bis vier Fische in vier Stunden, meist Hecht oder Lump, alle zwischen 75 cm und 95 cm. Alle max. 5 m über Grund bei 95 m – 120m Tiefe.

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Inzwischen hatten wir auch unsere Nachbarn kennengelernt, ein sehr nettes Ehepaar aus der Nähe von Karlsruhe. Andrea vermochte hervorragenden Seehecht in Bierteig mit Kartoffelsalat zuzubereiten, und Jürgens Biervorräte schienen unerschöpflich. Den Abend verbrachten wir damit, Stöckelfische zu grillen und nahmen einige Dillirieum verheißende Destillate zu uns. Urlaub eben.

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Steckerlfisch muss einfach sein
.

Der nächste Tag, ein Trauerspiel, jedenfalls für mich. Wir hatten uns einen etwas abseits gelegen Unterwasserberg vorgenommen. Aus 200m ging es hier hoch auf 65 m und auf der anderen Seite wieder auf 120 m abwärts. Dieser Berg stank förmlich nach Fisch.
Hier wollten wir das Metermonster fangen.Hier entschied sich unser Schicksal.
Ogrunnen! 20min Vollgas und wir waren da. Etwas Fisch schipperte gelangweilt durch den Bildschirm des Echolotes. Also runter mit den Makrelen, und schon ging es los---das Warten. Und wir warteten und warteten und…………………………………………warteten. Nichts, ging. Nach zwei Stunden hatte Frank den ersten Biss, und man staune einen schönen Seehecht von 94 cm ins Boot geholt. Aber insgesamt wurde es nicht besser.
Wir beschlossen abzubrechen und einem anderen, auf der Heimfahrt liegenden Berg einen Besuch abzustatten. Dort angekommen ließ ich meine Montagen zu Wasser, und Frank stellte mit Entsetzen fest, daß der Akku seiner Rolle keinen Saft mehr hatte. HiHi, endlich gleiche Bedingungen.
Bloß nicht mit der Hand kurbeln, statt dessen griff er zur leichten Rute, montierte einen 8 cm großen , rot weißen Gummifisch mit 30g Bleikopf. Viel zu leicht bei der Drift, und der GuFi geht kaum unter. Plötzlich ist die Rute krumm, und nach spannendem Drill erblickt ein fetter Pollack um die 80 cm das Licht der Welt. So ein Glückspilz, denke ich bei mir, aber Angelfreund Frank wirft erneut, und hat binnen Sekunden den nächsten Biss. Drill - Pollack – gleiche Größe. Ich kramte wie verrückt in meinem Kasten, um einen ähnlichen Gummiköder zu finden. Inzwischen hatte Frank wieder ausgeworfen, was ihm natürlich einen erneuten Pollack von ähnlicher Größe bescherte. Wo hatte ich denn nur diesen Rot-Weißen scheiß Gummifisch? Nach 10 min war ich Startklar und warf aus. Allerdings musste ich die Rute wieder weglegen, da ich den vierten Pollack meines Angelkumpels gaffen musste. So schnell wie alles ablief, so schnell war es auch wieder vorbei. Plötzlich war es still auf dem Berg . Ein fader Geschmack auf der Zunge erinnerte mich daran, das meine Kinnlade in die Fischkiste geklappt war, und Frank bekam Krämpfe im Gesicht , weil er versuchte das Grinsen zu unterdrücken.
Zu Hause angekommen, forderte ich als Wiedergutmachung ungehinderten Zutritt zu seinen Biervorräten, und wir konnten herzlich über diesen Tag lachen.

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Angeber !​

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Die Trondheimsleia im leichten Morgennebel

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Es müssen nicht immer Möwen sein​

Nach dem obligatorischen Aussaufen, also dem Abend an dem alle überschüssigen Alkoholvorräte in selbstlosem Einsatz, oral verklappt wurden, stand ein letzter Angelausflug an. Wir hatten den Tipp bekommen, das es wohl noch besser gehen sollte, wenn man einfach irgendwo im Freiwasser fischt.
Naja, wir hatten die Tiefkühltruhe schon gut gefüllt, und konnten eben auch mal ein wenig experimentieren. Also fuhren wir raus , da wo die Leia langsam auf 200m abfällt. Aber sollte das wirklich funktionieren?
Wir verletzten die Kantenregel, ließen die Rinnenregel außer acht, und auch die Fischschwarmregel war uns egal. Ich hatte eine Doppelhakenmontage einfach mit je einem Köder bestückt. Es gab Koteletts von der Stachelmakrele an grünem Leuchtoktopus. Wir ließen auf etwa 70 m ab. Irgendwo dümpelten jetzt drei kleine Makrelenstücke einsam und verlassen mitten in der Leia herum. Rumms! Frank war wieder der erste. Ein Biss aus dem nichts. Schellfisch um die 80 cm. Wow, es funktioniert. Kurz darauf bei mir. Rumms! Seehecht 75 cm. Jetzt war ich bereit, mich für meinen Loosertag zu revanchieren. Das Echolot war leer. Rumms ! Hecht Nr.2 wollte unbedingt in die Tiefkühltruhe umziehen. Es folgten Hecht Nr. 3, 4 und 5 innerhalb von 1,5 Stunden. Diesmal staunte mein gegenüber die Bauklötzer, und musste sich mit einem Minirotbarsch geschlagen geben.

Dann kam der Augenblick, der wohl jeden von uns traurig stimmt. Ich warf den Motor an, und ließ nochmal einen sehnsüchtigen Blick über das Wasser schweifen. Irgendwo da draußen war er, unser Meterfisch, und uns wurde bewusst, daß wir ihn auch diesmal wieder zurücklassen mussten. Wir hatten es auch diesmal nicht geschafft, aber trotzdem vieles richtig gemacht. Ich drehte die Pinne auf Vollgas, und wir fuhren ein letztes mal an den Inseln vorbei, an den Möwen, die wie immer auf ihrem Felsen saßen, und in den kleinen Hafen ein.

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Der letzte Fang


An dieser Stelle möchten wir uns gerne bedanken bei:
Jan Pettersen dem Betreiber, für eine wunderschöne Zeit in einer wunderschönen Hütte.
Burkhard und Wassili, den guten Geistern des Campingplatzes
sowie bei Frank , Heike und den Kids. Es war wieder einmal sehr schön, mit Euch unterwegs gewesen zu sein.
Und natürlich bei allen Lesern, die bis hierher nicht eingeschlafen sind.

Als wir endlich wieder zu Hause ankamen, hatte es geregnet. Leichte Nebelschwaden lagen über den Feldern, und gelbe Blätter bedeckten bereits den Rasen. Ein Hauch von Herbst lag in der Luft.
 
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