Fein-Tuning der Bremse

bluemarlin54

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Eine perfekte Bremseinstellung spielt eine entscheidende Rolle beim erfolgreichen Drill und der Landung eines Fisches. Zu geringer Bremsdruck verlängert den Kampf unnötig und räumt einem Versagen eines Teiles der Montage oder Fehler im Drill mehr Platz ein. Bei zu hohem Bremsdruck ist das Desaster durch Schnurbruch vorprogrammiert.
Es ist ein Unterschied, ob man einen Fisch im Flachwasser oder Uferbereich drillt, wo es gilt, ihn von Strukturen wie z.B. Felsen, Wurzeln etc. fern zu halten, oder, ob man im Freiwasser drillt. Bei einem kleineren Fisch und niedriger Schnurstärke hat man die Möglichkeit, den Bremsdruck an der Stationärrolle durch Druck-Ausübung mit der Hand auf die Spule zu variieren.
Bei einem großen Thun oder Marlin ist die Möglichkeit den Bremsdruck mit der Hand auf der Spule zu regulieren deutlich eingeschränkt.
Beim Big Game ist die korrekte Bremseinstellung der Rolle ein absolutes Muss und wird am besten täglich, vor dem Angeln (wenn möglich an Land) mit einer Feder- oder Zugwaage vorgenommen.
Bei Ruten & Stationär-Rollen für das Spin-Fischen (Blinker, Wobbler, Popper) oder zum Jiggen wird die erste Messung bei waagerecht gehaltener Rute vorgenommen. Da die Schnur frei abgezogen werden kann und weder die Reibung der Ringe, oder der Winkel der Rute hemmt sollte der Bremsdruck auf 15 % der Leinenstärke beim Fischen im Freiwasser eingestellt werden(zB: bei 10 lb Schnurstärke wäre der ideale Bremsdruck 1,5 lb; bei 20 lb Leinenstärke: 3 lb).
Dieser Bremsdruck reicht, um beim Anbiss den Haken zu setzen. Wenn man dann beim Drill mehr Bremskraft benötigt kann man mit der Hand, oder den Fingern Druck auf die Spule ausüben. Wird der Druck durch den Fisch zu groß, nimmt man die Hand von der Spule und kehrt so zu
seiner Brems-Voreinstellung zurück.
Darüber hinaus ist die Stellung der Rute ein weiterer Bremsfaktor. Ein kleines Experiment mit der Waage kann dies verdeutlichen: Man stellt, bei waagerecht gehaltener Rute die Bremse auf 15% der Leinenstärke ein (zB. 12lb Schnur / 1,8lb Bremsdruck). Dann hebt man langsam die Rute bis auf ca. 45 Grad. Fragt ihr dann die Person, die die Waage hält nach dem Ergebnis, werdet ihr erfahren, dass der Bremsdruck auf 25% und mehr angestiegen ist (am Beispiel unserer 12 lb Schnur aus 2,2lb und mehr)

Ein weiterer Faktor, der sich auf den Bremsdruck auswirkt ist der Wasserdruck, der sich seitlich zwischen Angler und Fisch auf die Schnur auswirkt. Je mehr Schnur von der Rolle schwindet, desto größer wird der Bremsdruck. Deshalb muss manchmal, bei einer extrem langen Flucht des Fisches die Brems-Voreinstellung reduziert werden.
Ein weiterer Faktor ist die physikalische Regel vom Massenwiderstand (Körper im Ruhe-Zustand tendieren dazu im Ruhe-Zustand zu rbleiben).Es muss mehr Kraft dazu aufgewendet werden, die Spule der Rolle in Bewegung zu setzen, als sie in Bewegung zu halten.
Alle diese Faktoren erhöhen den Bremsdruck. Deshalb ist die scheinbar geringe Brems- Voreinstellung, gerade zu Beginn des Drills empfehlenswert.
Beim Big Game (Schleppfischen, Lifebait, Driftfischen) wird die Brems-Voreinstellung etwas anders vorgenommen: man stellt die Rute in einen Rutenhalter, hängt die Waage in die Schnur ein und justiert dann die Bremskraft. Diese sollte, in dieser Rutenposition, 25 – 33 % der Leinenstärke betragen (z.B: 30 lb Schnur: zwischen 7,5 und 10 lb. Bremsvoreinstellung / 50 lb Schnur: zwischen 12 – 18 lb Voreinstellung) In der Endphase des Dills, oder wenn ein Fisch wie wild Leine von der Rolle „fetzt“, oder springt, kann dann , durch Senken der Rute, der Bremsdruck reduziert werden. Viele Angler machen gerade in der Endphase des Drills, wenn der Fisch zu einem letzten wilden Run ansetzt, den Fehler, die Rute hoch zu halten und damit den Bremsdruck zu erhöhen, was zum Schnurbruch führen kann. Stattdessen sollte man den Fisch bei gesenkter
Rute ziehen lassen und, wenn er sich wieder beruhigt hat, wieder zum Boot bringen.

Reißt ein Fisch eine große Menge Schnur von der Rolle und man sieht sich gezwungen, mit dem Boot die Verfolgung aufzunehmen, sollte man besser dem Verlauf der Schnur, als dem Fisch folgen. Folgt man dem Fisch und nicht der Schnur, wirken auf die Schnur 4 Kräfte ein: Bremse, Wasserdruck auf die Schnur, der Fisch und zusätzlich noch die Kraft des Bootes! Das Risiko des Schnurbruchs steigt dadurch extrem an!
Anstatt den Bremsdruck bei schwindender Schnur zu reduzieren, sollte die Bremsvoreinstellung unbedingt beibehalten werden. Es gibt zwar Ausnahmen von der Regel, aber: nicht viele! Es ist viel sicherer, die Hand zur Unterstützung als Bremshilfe einzusetzen.
Auch die Angewohnheit mancher Angler , sobald sich die Doppelleine auf der Rolle befinden, an der Rolle die Bremseinstellung zu erhöhen, hat schon manchen Fisch gekostet. Besser ist es, zusätzlichen Druck mit der Hand auf die Schnur, oder den Spulenrand auszuüben.
Rollenbremsen bestehen aus einer Kombination von harten und weichen Bremsscheiben. Unter zu hohem Druck werden weiche Bremsscheiben zusammen gedrückt und deformiert.
Am Ende eines Angeltages sollten alle Bremsen zurückgestellt und freigestellt werden. Das ermöglicht den Bremsscheiben, in ihre ursprüngliche Position zurück zu kehren und erhält ihre weiche, ruckfreie Laufeigenschaften.
 
AW: Fein-Tuning der Bremse

@ Tackleking
kannst du sagen wie die Hersteller die maximale Bremskraft ihrer Rollen ermitteln bevor die sich selbst zerlegen?

Denke das ist entscheidend wie eine Rolle bedient werden muss.

Warum? Es wirken physikalische Kräfte. Je mehr Schnur von einer Rolle bei einer festgelegten Bremskraft abgespult wird, desto mehr erhöht sich die Bremskraft. Es wirken die negativen Gesetze der Hebelkräfte. Kraft x Kraftarm = Last x Lastarm

Bei voller Spule eingestellte Bremskraft von z.B. 10 kg, ergeben sich bei halbvoller Spule bereits Bremskräfte von 20 kg. Vermindert sich durch Schnurabziehen der Durchmesser der Schnurfüllung nochmals um die Hälfte, müssen bereits 40 kg aufgewendet werden um die Bremskraft zu überwinden.
Schnurbruch, Rutenbruch oder Zerstörung der Rolle wären das Ergebnis.

Darum muss je mehr Schnur abgezogen wird die Bremse zurück geregelt werden = Bremskraft verringern, und nicht aus Angst gleich ist die Spule leer die Bremse noch kräftiger angezogen werden!!

Dieses physikalische Gesetz kann man ganz einfach testen.
Bringe das Rad eines Fahrrades in Bewegung. Am Reifenmantel (entspricht volle Spule) kann man das Rad leicht abstoppen. Dann mal versuchen bei gleicher Drehzahl das Rad in der Nähe der Nabe zu bremsen (entspricht fast leere Spule). Da muss viel mehr Energie aufgewendet wenden.(Vorsicht, kann sich dabei die Finger verletzten)
oder nehme einen langen Kuhfuss. Fasse oben an und hebel etwas Schweres an = wenig Kraftaufwand. Wenn man unten anfaßt = viel Kraftaufwand obwohl das hochzuhebelnde Stück gleich schwer ist.

Wer also vor hat in z.B. 200m Tiefe zu angeln und nur z.B. 350m Schnur auf der Spule hat, bringt es nichts die Bremsvorwahl bei voller Spule auf KG X an Land einzustellen, da nach Ablauf der Schnur sich die Bremsverhältnisse entscheidend geändert haben.
Dabei spielt es keine Rolle ob man mit Multi oder Stationärrolle fischt.

Wolli
 
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AW: Fein-Tuning der Bremse

ist doch ein ganz Netter!

Nur physikalische Gesetze kann man nicht ausser Kraft setzen. Habe da schon andere mit "geschockt".:]

Anzumerken wäre noch, dass die großen Bremsscheiben von Multis mit Schiebebremse daher gefühlvoller zu bedienen sind als die kleinen von Multis mit Sternbremse oder Stationärrollen. Dort wird lediglich durch mehrere Lagen Scheiben ein größerer Druck=Kraft aufgebaut um die notwendigen Bremskräfte zu erzielen. Der Verschleiß der Bremsscheibe in Rollen mit Schiebebremse ist daher auch geringer.

Wolle
 
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AW: Fein-Tuning der Bremse

@ Wolli
da ist anscheinend ein "Big Gamer" auf einen "Norweger" gestoßen. Aber, Du hast schon recht, die Gesetze der Physik gelten für alle, nur das ich versucht habe, sie unter Einbeziehung verschiedener Faktoren zu berücksichtigen. Ich bin auch kein absoluter Fachmann für Bremsscheiben (da hätte Serviola wohl eher ein Wörtchen mitzureden).
Aber, vergleichen wir mal Deine physikalische Rechnung mit meinem Beitrag:
Du gehst von einer vollen Spule von einer Bremskraft von 10 kg aus. Entspräche bei meinen 15% Bremsvoreinstellung einer Schnur mit der Tragkraft von 66,66 Kg. Du gehst von einer Schnurfüllung von 350mtr. aus und angelst (mehr oder minder senkrecht, in einer Tiefe von 200mtr.
Bei einer Tiefe von 175 mtr. herrscht da, nach Deiner Berechnung (theoretisch) ein Bremsdruck von 20 kg, nach meiner Berechnung sogar noch mehr (Stellung der Rute, Reibung der Ringe, Druck der Strömung auf die Schnur..) Fliegt Dir jetzt Rute oder Rolle um die Ohren, waren diese deutlich unter- dimensioniert: also für Schnüre um die 65kg ungeeignet.
Qualitätsrollen, die dem Standard entsprechen haben deshalb ihren Preis. Der Hersteller hat diese Rollen erst einmal ab Werk getestet und dann einem Praxistest unterworfen ehe er sie auf den Markt bringt.
Rollen dieser Qualität und Standard haben ihren Preis und lassen sich an den Fingern beider Hände abzählen (vor allem bei den Stationär-Rollen, hier langt beinahe eine Hand!). Billig-Produktionen aus China unterliegen nicht diesem Standart; sind halt eben nur Kopien, nicht getestet, nicht auf Höchstleistung, Dauerbeanspruchung, Haltbarkeit ausgelegt.
Aber, zurück zur Physik und zum Rollen-Handling: Selbstverständlich hast Du recht, das, je mehr Schnur von der Rolle abgezogen wird, die Bremskraft proportional steigt. Bei höheren Bremskräften sind diese nur noch von durchtrainierten Anglern ohne entsprechende Unterstützung durch Gimbal (Kampfgurt) und Harness (Kampfweste / Nierengurt, beim Big Game z.T. der Kampfstuhl)) zu bewältigen (mit der Stationär-Rolle wäre hier z.B. Serviola & sein Wildfishingteam zu nennen).
Im Übrigen gelten die die gleichen physikalischen Gesetze für Big Game, tropisches Spin-Fischen oder den Nord-Atlantik.
Die empfohlene Bremsvoreinstellung in Höhe von 15% verhindert, dass während des Drills an der Bremse herumgespielt wird.
Die ginge höchstens bei Multirollen mit Schubbremse, Multi mit Sternbremse lässt kein kontrolliertes Fein-Tuning zu, bei einer Stationär-Rolle mit Frontbremse ist dies fast unmöglich. Um gefühlvollen, dosierten zusätzlichen Bremsdruck bei Bedarf aufzubauen, wird hier zusätzlich mit einer Hand auf oder an der Rollenspule gearbeitet. Beim Big Game sind die Rollen voreingestellt, so dass, selbst wenn fast die ganze Schnurlänge abgezogen ist, die Grenze der Schnurtragkraft nicht ganz ausgeschöpft wird. Seit Jahren wird auf den (professionellen) Charterbooten fast ausschließlich Multi mit Schubbremse gefischt. Diese Rollen sind, entsprechend ihrer Schnurstärke so dimensioniert, dass etwa in halber, oder zwei Drittel Höhe der Spule der maximale Bremsdruck aufgebaut wird. Bremskräfte, die darüber hinaus gehen werden nur benötigt, wenn das Vorfach (was zum Teil dir 3 bis 5 fache Tragkraft der Schnurstärke hat) mit auf die Rolle gespult wird.
Die Schubbremse wird vor allem in Bereichen unter 15 % Bremsvoreinstellung benötigt, wenn die Angeltechnik vom "normalen" Trollen abweicht: z.B. Lebendköder, Switch & Bait, Circle Hook. Hier wird dann die Schubbremse, entsprechen dem Drill, bis hin zum maximalen Bremsdruck angepasst oder reduziert. Die Schubbremse arbeitet also über eine genau vordefinierte und sogar sichtbare Strecke. Bei der Sternbremse gelingen diese exakten Bremskraft-Korrekturen nur erfahrenen Profis, die sich mit ihrer Sternbremse absolut auskennen.
Beim normalen Trollen im Big Game Bereich kann man allerdings wiederum von der Daumenregel: 15% ausgehen (wobei ich in der Anfangsphase des Drills zumeist zusätzlichen Bremsdruck von Hand auf die Spule ausübe).
Da jedoch Physik Physik bleibt scheinen also Nord-Atlantik und Big Game gar nicht so weit auseinander (mal abgesehen davon, das im Big Game auch Schnurklassen , beginnend mit 2 lb gefischt werden (nicht nur Heavy Tackle), auch im Nord-Atlantik tummeln sich ein paar große Brocken: z.B. große Heilbutt's, Eishai, Grönlandhai.).
Dir und allen anderen

Tight Lines
Wolfgang
 
AW: Fein-Tuning der Bremse

Wolfgang, mit der Bremskraft verhält sich das folgendermaßen. Die Bremse liefert bei einer gegebenen Einstellung ein konstantes Bremsmoment (M). Die Kraft (K), die zur Auslösung der Bremse nötig ist, ist dann einfach abhängig vom Radius (r) der Schnurpackung.

M = r * K oder K = M/r

Je mehr Schnur draußen ist, desto kleiner wird der Radius der verbleibenden Schnurpackung und desto größer wird die Kraft, die notwendig wird, um die Spule gegen die Bremse in Bewegung zu halten. Dabei ist völlig egal ob die Kraft nun durch den Fisch, den Schnurwiderstand oder durch die Reibung an den Ringen hervorgerufen wird.

Eine Stationärrolle hat ca. den halben Kerndurchmesser der Spule als die Spule selber. Die Bremskraft kann daher nie größer werden als 2 mal der eingestellten Bremskraft bei voller Spule. Also ist man auf der sicheren Seite bei 50% der Schnurstärke. Bei Multirollen ist der Kerndurchmesser der Spule kleiner rund 33%, also ist man hier bei 33% der Schnurstärke sicher. Nimmt man jetzt noch etwas Sicherheit dazu, dann kommt man auf die berühmte Regel von Bremseinstellung gleich 25 bis 33% der Schnurstärke.

Gruß Dieter
 
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