Moin Küchengemeinde,
jetzt komme ich doch noch mal kurz rum.
Ihr habt die Story mit meinem Hühnerfrikassee noch im Kopf?
An sich nix Wildes, wäre da nicht meine sehr spezielle Geschichte...
Ist ein wenig Off Topic, trotzdem haue ich das jetzt einfach mal hier rein.
Heute möchte ich euch mein Hühnerfrikassee vorstellen,
so wie es mein Großvater von seiner Fahrenszeit auf den Weltmeeren mitgebracht hat.
Anbei eine Geschichte aus seiner Seefahrerzeit,
deren Gedanke mir immer wieder die Gänsehaut auf den Rücken treibt.
Wer es nicht lesen möchte, bricht hier ab und schaut sich unten lieber mein Tellerbild an.
Ich hole jetzt mal ein bisschen aus...
Mein Opa war ein kleiner Kerl von knapp 1,65 Metern Körpergröße.
Er war in Russland an der Front, hat aber nie davon erzählt.
Nach dem Krieg musste er in russischer Gefangenschaft noch etliche Jahre im Osten verbringen,
bevor er dann wieder nach Deutschland zurückgekehrt ist.
Er war ein sehr bescheidener Mensch mit festen Werten,
die er zum großenTeil an mich weitergegeben hat.
Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Respekt vor seinem Gegenüber, Fleiß und Zielstrebigkeit.
Auf die Kacke gehauen hat er nie und er hat mit meiner Großmutter satte 50 Jahre
auf Etage in einer 56 qm Bude in Hamburg Wilhelmsburg gewohnt.
Bei allen Gefahren, die er auf See überlebt hat,
ist er leider bei einem beschissenem Fahrradunfall ums Leben gekommen,
6 Wochen nachdem meine Oma gestorben ist.
Was für ein Segen, im Nachherein…
Nach seiner Kriegsgefangenschaft begann seine Fahrenszeit als Seemann auf großer Fahrt.
Bei verschiedenen Hamburger Reedereien war er als Chief in der Maschine auf Stückgutfrachtern unterwegs.
Er konnte ganz viel erzählen und ich habe Fotos aus der Zeit,
einfach nur unglaublich.
Die Seeleute haben sich seinerzeit noch richtig landfein gemacht
und sind mit "Kreissäge" und Spazierstock ausgegangen.
Mein Vater ist damals in seine Fußstapfen getreten und war ebenfalls auf großer Fahrt unterwegs.
Auf der Ursula Rickmers sind sie beide sogar mal gemeinsam gefahren.
Vadder und Sohn auf einem Dampfer, das ist eher selten.
Mein Bruder und ich haben es dagegen leider nur bis zur Bundesmarine geschafft,
auch wenn wir tüchtig rumgekommen sind.
Der Lütte ist bis Alexandria gekommen, ich nur bis Gotland, Udevalla und Oostende.
Was ich euch aber erzählen wollte und weshalb ich immer daran denken muss,
wenn ich Hühnerfrikassee mache,
meinem Opa ist eine Sache passiert, die schlägt dem Fass schlichtweg den Boden aus.
Wenn es der "Alte" nicht erzählt hätte
und es nicht irgendwo in einem alten Reader's Digest nachzulesen wäre,
man wäre geneigt, die Geschichte als Seemannsgarn abzutun.
Die letzten 20 Jahre seines Berufslebens hat mein Großvater bei der Bugsier-Reederei gearbeitet
und ist in der Maschine auf einem Schlepper im Hamburger Hafen auf der Elbe unterwegs gewesen.
Der Job ist nicht ohne und wenn es schief läuft, kann es einen Schlepper,
der einen Frachter am Haken hat, umreissen. Der Schlepper sinkt dann sofort.
Das ist meinen Opa passiert, ab auf den Grund der Elbe, gut 12 Meter tief.
Er hatte sich verbal schon von meiner Oma verabschiedet.
Dank seines Maschinisten, der wirklich eine coole Socke gewesen sein muss,
sind die beiden aber durch ein geöffnetes Oberlicht rausgekommen
und an der Wasseroberfläche wieder aufgetaucht.
Mein Opa hatte seine rechte Schulter gebrochen und wurde letztendlich von einem Helfer
an Bord eines herbeigeeilten Rettungsbootes gezogen.
Viele Jahre später wurde der Schlepper meines Großvaters
zu einem Schiffsunglück auf der Unterelbe herbeigerufen.
Dort war ein Schiff gesunken und die Besatzung war im Wasser.
Und nun kommt das Unglaubliche für mich als ehemaligen Seemann und heutigen Norwegenfahrer.
Könnt ihr euch vorstellen, wen mein Großvater dort aus der Unterelbe gezogen hat???
Genau den Mann, der ihn seinerzeit im Hamburger Hafen aus dem Wasser geholt hat.
Das ist doch unglaublich, oder?
Mein Opa hat mir das nur einmal erzählt, aber dabei hat er Rotz und Wasser geheult.
Habe ich vorher und nachher nicht wieder erlebt.
Jetzt könnt ihr vielleicht nachvollziehen, weshalb mir das Thema Sicherheit auf See
so sehr am Herzen liegt,
zumal es mich in der Nordsee bei Orkan und schwerer See um ein Haar
auch mal fast den Allerwertesten gekostet hätte.
Es war wirklich knapp, das ist aber eine andere Geschichte.
So, im Gedenken an meinen Opa, jetzt zu seinem Hühnerfrikassee,
wie es sein Smut bei ihm an Bord, aus einer Not heraus, gekocht hat,
einfach, aber total lecker.
Der fette Schiffskoch hier, so'n falsch gesteuerter Schalke Fan,
der mein Küchenkumpel beim Schlachtfest in Limburg ist,
wird wissen, was ich meine. Not macht eben erfinderisch.
Eigentlich hat das mit Hühnerfrikassee nix mehr zu tun,
sondern ist eher ein Hähnchen-Curry.
Von ihrer letzten Geschäftsreise hat meine Frau das hier aus Indien mitgebracht.
Damit habe ich das Frikassee gewürzt, gehackten Gouda und ein hartgekochtes Ei dazu gegeben
fertig ist das Hühnerfrikasse, so wie es mein Opa von seiner Fahrenszeit mitgebracht hat.
Noch kurz ein Tellerbild...
Probiert es mal aus, einen Versuch ist es allemal Wert.
Ich hoffe, ich habe euch mit meinem Privatkram nicht zu sehr gelangweilt,
ich wollte es hier einfach mal erzählen, so unter Seeleuten...
Und dem "Alten" oben, wird es auch gefreut haben.
In diesem Sinne...
Allen ein schönes Wochenende
Rollo
p.s
Nächste Woche werde ich euch wieder quälen, jawoll
und lustigerweise...
ich freue mich schon drauf.
So eine winzig kleine, nur gaaanz winzig kleine perverse Ader,
scheine ich doch in mir zu haben.
Rinnjedribbelt und rutjewurschtelt
Rollo